Grafik: STANDARD/Gebärdensprache

Cocktailparty-Effekt nennt sich eine Fähigkeit des menschlichen Gehörsinns, die jeder normal Hörende kennt. Hält er sich in geräuschvoller Hörumgebung auf, dann kann er trotzdem verstehen, was sein Gegenüber ihm gerade erzählt. Jedem zwölften Österreicher gelingt das nicht.

Schwindendes Verstehen von Sprache

„Menschen, die schwerhörig sind, sind nicht in der Lage aus dem Störschall, den Nutzschall Sprache herauszufiltern", beschreibt Patrick Zorowka, Direktor der Universitätsklinik für Hör- Stimm- und Sprachstörungen der der Medizinischen Universität in Innsbruck. Der Begriff „Schwerhörigkeit" irritiert, denn Hören ist nicht das primäre Problem. Viel eher ist es das schwindende Verstehen von Sprache.

Tragische Fehleinschätzungen

„Es gibt Menschen die für dement gehalten werden und in Wahrheit nur akustisch nicht gut erreichbar sind", weiß Zorowka und vermutet hier eine hohe Dunkelziffer. Verantwortlich für diese zum Teil tragischen Fehleinschätzungen ist das Gehirn, das sowohl im schleichenden Vergessen einer Demenz, als auch bei fortschreitender Schwerhörigkeit eine Rolle spielt. Im Falle eines Hörproblems verliert das Gehirn zunehmend seine Gabe Schallwellen richtig zu analysieren, zu filtern und zu interpretieren.

Stimme und Sprache werden Verwirrung

„Die Leute gewöhnen sich an eine unnatürliche Stille", erklärt Zorowka und beschreibt nun das folgenschwere Phänomen zentraler Hörentwöhnung. Das Gehirn verlernt nämlich Sprache zu verstehen, sobald ein Innenohrschaden zum Verlust verschiedener Hörfrequenzen geführt hat. Wer das ignoriert, dem nützt irgendwann auch kein Hörgerät mehr. Denn Stimme und Sprache sorgen dann ohnehin nur noch für Verwirrung. „Jungbrunnen ist der Hörapparat keiner. Wer jedoch frühzeitig seine Hörminderung akzeptiert, darf von modernen Hörsystemen auch ein gutes Sprachverstehen erwarten", ergänzt der Experte.

Isolation durch Stigamtisierung

„Ich habe sie nicht verstanden", dieser Satz scheint die Wurzel allen Übels zu sein. Er treibt Menschen in die Isolation, denn er wird vielfach gleichgesetzt mit folgendem Ausspruch: „Ich habe sie inhaltlich nicht verstanden".

Anders verhält es sich bei einer Sehschwäche: Niemand verzichtet freiwillig auf eine Brille. Dagegen scheuen Schwerhörige oft schon den bloßen Versuch ihre Hörminderung mit einem Hörsystem zu verbessern. Zorowka macht die anhaltende Stigmatisierung der Hörgeräteträger dafür verantwortlich. Mit Attributen wie dumm, alt oder behindert werden sie gerne versehen. Leider teilen solche Ansichten auch Betroffene selbst und vergessen dabei, dass die Beeinträchtigung durch den unbehandelten Hörverlust auch von den Mitmenschen meist wesentlich störender erlebt wird, als der Gebrauch eines Hörsystems. (phr)