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Alltagselend vergewaltigter Frauen

Als sie die Nachricht von der Verleihung des Alternativen Nobelpreises erhielt, hat die Kölner Ärztin Monika Hauser am Mittwoch nicht nur gejubelt: "Ich sage ganz ehrlich, der Preis hat auch zwiespältige Gefühle ausgelöst." Zu groß ist nach Ansicht der 49-jährigen Gründerin der Hilfsorganisation medica mondiale der Abstand zwischen Lob und Sonntagsreden bei Preisverleihungen auf der einen Seite - und dem Desinteresse von PolitikerInnen und Öffentlichkeit gegenüber dem Alltagselend vergewaltigter Frauen in Kriegsländern auf der anderen.

Bewusst eingesetzte Kriegsstrategie

Seit 15 Jahren organisiert Hauser Hilfe für vergewaltigte Frauen in Kriegs- und Krisengebieten. Zuerst in Bosnien, danach mit der von ihr gegründeten Organisation medico mondiale auch in Ländern wie Afghanistan, dem Kongo, Liberia und Israel.

Die in der Schweiz geborene Südtirolerin mit italienischem Pass las 1992 von gezielten Massenvergewaltigungen in Bosnien als bewusst eingesetzte Kriegsstrategie. Ein Jahr später begann sie in der bosnischen Stadt Zenica mit dem Aufbau eines Therapiezentrums. "Mich haben damals die Medienberichte mit ihren teils genauen Details über die Art der Vergewaltigungen sehr wütend gemacht. Ich wollte diesen Frauen ganz konkret helfen", sagte die Mutter des zwölfjährigen Luca später über den Start zu ihrer Arbeit.

Ausgezeichnet

Hauser wurde schnell bekannt und erhielt auch schnell viele Preise. 1993 kürten die ARD-Tagesthemen sie zur "Frau des Jahres", später auch zur "Frau des Jahres in Europa", 1994 bekam sie den "Gustav-Heinemann-Bürgerpreis". Als der damalige Bundespräsident Roman Herzog ihr 1996 das Bundesverdienstkreuz verleihen wollte, lehnte die Ärztin ab. Sie protestiere damit gegen den Beschluss der Innenminister, bosnische Flüchtlinge notfalls mit Gewalt in ihre Heimat zurückzuführen.

Feministische Arbeit im Kreuzfeuer

Auch zehn Jahre später, nach der Vergabe des Alternativen Nobelpreises hat die Medizinerin nichts von ihrer streitbaren Grundhaltung verloren. Sexualisierte Kriegsgewalt gegen Frauen hält sie nicht nur für ein Problem in fernen Ländern und fremden Kulturen. Auch deutsche und EU-PolitikerInnen zeigten "nicht unbedingt gesteigertes Interesse", wenn es um Frauen als Kriegsopfer gehe. Hauser prangert deutsche Soldaten im Auslandseinsatz an, wenn sie in den jeweiligen Ländern Zwangsprostituierte aufsuchen. "Man muss mit schon eine hohe Frustrationstoleranz haben, wenn man mit einem feministischen Ansatz arbeitet", meinte sie über die Reaktionen.

Anerkennung

Aber die Auszeichnung aus Schweden sei auch eine "wunderbare Genugtuung" und überdies von praktischem Nutzen: "Wir werden es bei der Arbeit mit traumatisierten Frauen und der Erreichung unser politischen Ziele jetzt etwas einfacher haben, weil man uns zuhören wird."

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Tatsächlich unabhängig

Die Journalistin Amy Goodman ist Gründerin und Moderatorin der täglichen Nachrichtensendung "Democracy Now!". Die US-Amerikanerin wird mit dem Right Livelihood Award geehrt "für die Entwicklung eines innovativen Modells wahrhaft unabhängigen politischen Journalismus, der zu Millionen Menschen jene alternativen Stimmen bringt, die von den Mainstream-Medien so häufig ausgegrenzt werden".

Irakkrieg und seine Folgen

"Willkommen bei Democracy Now, dem Krieg und Frieden-Report" - so begrüßt Goodman jeden Wochentag um 8 Uhr Ostküsten-Zeit ihr Publikum. Das Thema, das ihre von 700 TV- und Radiosendern übertragene einstündige Sendung beherrscht: Der Irakkrieg und seine Folgen.

Als US-Soldaten vor sechs Jahren im Irak einmarschierten, wurde Goodmans "Democracy Now" zum einzigen populären Medienforum für Irak-Kriegsgegner in den USA. "Amerikas Medien blockieren Informationen öfter als sie sie transportieren", kritisiert die zierliche 51- jährige mit der energischen Stimme, die von sich sagt, dass sie damit mehr Menschen erreicht als Talk-Ikone Larry King.

"Schwert oder Schutzschild"

Die Harvard-Absolventin und Bestseller-Autorin war aufgefallen als sie die Machenschaften der US-Ölkonzerne in Nigeria aufdeckte. In Osttimor beobachtete sie unter Lebensgefahr den blutigen Unabhängigkeitskampf. Heute kämpft die vielfach preisgekrönte Journalistin zu Hause: gegen die Beschneidung der BürgerInnenrechte durch US-Gesetze nach nach dem 11. September. "Wir amerikanischen Journalisten müssen uns entscheiden, ob wir Schwert oder Schutzschild sein wollen", sagt Goodman.

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Indiens Seele

Krishnammal und Sankaralingam Jagannathan aus Indien werden für ihre Organisation LAFTI (Land for the Tillers' Freedom) ebenfalls mit dem Preis bedacht: Für ihre lebenslange Arbeit für die Verwirklichung der gandhischen Vision von sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger menschlicher Entwicklung, wofür sie als 'Indiens Seele' bezeichnet wurden".

Als "unberührbar" diskriminiert

Das Ehepaar Jagannathan hat ihr Leben dem Kampf für die Rechte von Landlosen in Indien gewidmet. Inspiriert von der Philosophie Mahatma Gandhis, der zentralen Figur der indischen Unabhängigkeitsbewegung, engagiert sich das Ehepaar seit den 50er Jahren für eine gerechte Verteilung von Ackerland.

Ihre 1981 im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu gegründete Bewegung "Land für die Freiheit der Bauern" (LAFTI) wendet sich dabei vor allem an Dalit, Angehörige einer noch immer in vielen Teilen Indien als "unberührbar" diskriminierten Bevölkerungsgruppe. Mit der Gründung von Genossenschaften und der Auszahlung von Kleinstkrediten hat LAFTI nach eigenen Angaben bisher etwa 13.000 wirtschaftlich und sozial benachteiligten Dalit-Familien den Erwerb und die Bewirtschaftung eines eigenen Stück Landes ermöglicht.

"Gemeinsame fruchtbare" Arbeit

"Durch die Überwindung von Landlosigkeit sichern wir den unterdrückten Menschen nicht nur ihre Existenzgrundlage, sondern geben ihnen auch ein Stück Würde zurück", sagte die 82-jährige Krishnammal Jagannathan, die selbst zu den Dalit gehört, unlängst einer indischen Zeitung. In dem Interview kündigte sie auch an, mit ihrem 96-jährigen Ehemann Sankaralingam die "gemeinsame fruchtbare" Arbeit noch möglichst lange fortzuführen.

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Frauen in Friedensprozesse einbinden

Die somalische Frauenrechtlerin Asha Hagi erhält den Award, "weil sie, trotz großen Risikos für sich selbst, die Mitwirkung von Frauen im Friedensprozess ihres vom Krieg zerrissenen Landes organisiert und anführt".

Hagi engagiert sich in ihrer von Gewalt und Anarchie zerrütteten Heimat am Horn von Afrika sei Jahren für die Rechte von Frauen. Als Abgeordnete des Übergangsparlaments ist sie auch am schwierigen und langwierigen Friedensprozess beteiligt, etwa an den derzeit in Dschibuti laufenden Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Regierung und Teilen der islamischen Opposition. Zudem kämpft sie gegen Armut und Gewalt gegen Frauen und Kinder, die am meisten unter Flüchtlingselend, Hunger und Unsicherheit in dem ostafrikanischen Land leiden.

"Mein einziger Clan ist das Frausein"

Hagi, die bereits 2005 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, gründete 1992 die erste Organisation, die Clan- Grenzen in Somalia überwand. Dabei spielte auch ihre persönliche Lebenserfahrung in dem schon vor dem Bürgerkrieg von blutigen Streitigkeiten verfeindeter Clans zerrissenen Land eine Rolle: Der Clan ihrer eigenen Familie lehnte sie ab, weil sie einen Mann eines verfeindeten Clans geheiratet hatte. Der Clan ihres Mannes wiederum verdächtigte sie, eine feindliche Spionin zu sein.

"Mein einziger Clan ist das Frausein", sagt sie seitdem. Sie erreichte unter anderem, dass Frauen als Abgeordnete im Übergangsparlament sitzen können, anerkannt als "sechster Clan" in Somalia, das seit 1991 keine funktionierende Zentralregierung hat. (APA/dpa/red)