Joseph Beuys: "Wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt" , 1965 in der Galerie Alfred Schmela in Düsseldorf.

Foto: Walter Vogel, IMAGNO / VBK, Wien 2008

Krems - Es gab ja Zeiten, zu denen die damals auch noch recht jungen Grünen noch einen mit Pelzmantel in ihren Reihen duldeten: Der hieß Joseph Beuys und kombinierte echten Luchs mit Jeans, weißem Hemd, Anglerweste und Filzhut. Und verhalf der Öko-Bewegung kraft seiner Autorität als erster internationaler Kulturexportartikel Deutschlands nach dem Krieg zu zweckdienlicher Öffentlichkeit. Und weil Charisma noch ein wenig nach Drittem Reich klang, er aber sonst nicht wirklich in Kategorien zu fassen war, nannte man ihn "den Schamanen".

Schließlich konnte er einem toten Hasen die Kunst erklären und zugleich vielen zwingend vermitteln, dass das auch gut so war. Und tagelang mit einem wilden Kojoten in einem New Yorker Galerieraum leben konnte er auch, ganz ohne die Integrität seiner Hülle zu gefährden. Allen anderen war der Schamane Scharlatan. Sein "erweiterter Kunstbegriff" und die damit erst mögliche "soziale Plastik" als alternative Organisationsform einer künftigen, einer besseren Gesellschaft sorgten mit dem ihm eigenen Hang zuPathos und Bedeutungsschwangerschaft bei öffentlichen Auftritten für ordentlich Publikum.

Beuys stilisierte sich gestengewandt zu einer der großen "Marken" Nachkriegsdeutschlands. Die zu verbreiten dienten Multiples, Auflagenobjekte, die entweder den Nachvollzug der reinigenden "Rituale" zu Hause ermöglichen oder zumindest die Teilhabe am vorgeblich magischen Energiefluss zwischen Fett, Filz, Kupfer und etwa Zitronen gewährleisten sollten. Versandware zur moralischen Läuterung war das, der Stempel des Magiers reichte aus, ein Faksimile eines seiner Briefe genügte, dessen Besitzer als Träger des neuen Weltbildes auszuweisen. Ein Plakat in der Studenten- oder Sammlerbude - etwa Kunst=Kapital - genügte als Beleg der Emanzipation vom herkömmlichen Politbegriff.

Die Kunsthalle und das Forum Frohner Krems haben einen recht umfassenden Querschnitt der Beuys'schen Belege, Handlungsvorschläge und Zauberkästchen zusammengestellt. Aufgeteilt auf den politischen Kopf Beuys im Forum Frohner, der Modelle direkter Demokratie und also Selbstbestimmung vorschlägt, und den sogenannten "Schamanen", der Alltagsgegenstände der DDR zu "Wirtschaftswerten" hochlädt, klagefreudige Medizinflaschen mit verschmutztem Rheinwasser ausstellt und allerhand Alltagsgegenstände zu mystischem Besteck erklärt.

Auf Videos ist der Meister dann selbst zu bestaunen: als blindenstockbewehrter Schäfer in perfektem Einklang mit dem gemeinen Kojoten, als Kultfigur auf zumindest ästhetisch auf rar getrimmten Originaldokumenten, als einer der zahlreichen Heilslehrer des vergangenen Jahrhunderts, als einer der einflussreichsten Zeitgeister von gestern. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 01.10.2008)