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Oben (v. li.): Alexander Horvath (Filmmuseum), Virgil Widrich (Filmregisseur), Markus Hinterhäuser (Pianist), Mathias Rüegg (Musiker), Amina Handke (DJane), Olga Flor (Autorin), Markus Prachensky (Künstler), Ewald Palmetshofer (Autor). Unten: Eva Schlegel (Künstlerin), Peter Turrini (Autor), Ruth Beckermann (Filmemacherin), Airan Berg (Linz09), Robert Palfrader ("Kaiser"), Cornelius Kolig (Künstler), Stephan Schmidt-Wulffen (Rektor Akademie), Andreas Vitásek (Kabarettist).

 

 

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"So ein Scheißdreck": Der Plakat-Kommentar von Julius Deutschbauer zum Ergebnis der Nationalratswahl.

Foto: Marlene Ropac

Nicht nur Autor Ewald Palmetshofer fordert SPÖ/ÖVP zur Räson auf.

Peter Turrini: "Ein Schreckensergebnis"
Ich mache keine großen Unterschiede zwischen der FPÖ und dem BZÖ: Es sind zwei rechtsradikale Parteien. Dass sie zusammen ungefähr gleich stark sind wie die SPÖ, ist für mich ein Schreckensergebnis. Ich habe mich davor gefürchtet, dass die FPÖ auf rund 20 Prozent kommen könnte; der nicht erwartete Erfolg des BZÖ erschüttert mich. Schmerzlich ist der Verlust der Grünen.

Airan Berg: "Die Rechte nicht entzaubert"
Als ich 2001 das Wiener Schauspielhaus übernommen habe, war die FPÖ die zweitstärkste Partei und in der Regierung. Nach sechs Jahren konsequenter interkultureller Theaterarbeit, am Ende meiner Direktionszeit, war die FPÖ gespalten und scheinbar weg vom Fenster. Nur wegen Rachsucht hat die ÖVP eine unnötige Wahl vom Zaun gebrochen. Sie behauptete, die Rechte entzaubert zu haben. Jetzt hat sie das Land wieder der extremen Rechte zugespielt. Die Kulturhauptstadt Linz09, für deren Theaterprogramm ich verantwortlich bin, bietet uns eine Plattform des Widerstands gegen diese gefährlichen Entwicklungen.

Ruth Beckermann: "Schmied statt Schmiedl"
Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Rechtsextremen derart hoch gewinnen. Ich habe sie auf maximal 25 Prozent geschätzt, weil ich denke, ein Drittel der Bevölkerung ist entweder rechts oder nimmt rechtes Gedankengut zumindest in Kauf. Links gibt es ja keine Protestpartei - die Grünen sind es jedenfalls nicht. Bei der SPÖ zeigt sich, dass die Leute, die sie mit ihrem Populismus ansprechen wollte, lieber zum Schmied gehen als zum Schmiedl. Durch den Schwenk in der Europapolitik haben sie wohl kaum Stimmen gewonnen, meine jedenfalls nicht.

Mathias Rüegg: "Viel zu sanfte Quittung"
Nach dem überzeugend inhaltslosen und hauptsächlich populistisch geführten Wahlkampf enttäuscht die viel zu sanft ausgefallene Quittung der Nicht- beziehungsweise Weißwähler. Erst dann, wenn keine Partei mehr die 25-Prozent-Grenze überschreitet, kann ein Demokratisierungsprozess und eine damit verbundene, echte Auseinandersetzung mit Politik beginnen. Vielleicht würden dann sogar Kultur, Bildung und Forschung zu Wahlkampfthemen? Prosit bis zur nächsten Wahl!

Andreas Vitásek: "Ergebnis überrascht nicht"
Das Ergebnis überrascht mich nicht. Der Erfolg der rechten Parteien vor allem hat mit dem Misstrauen gegenüber der EU zu tun: Die FPÖ sammelte die Protestwählerstimmen ein, Jörg Haider hat sich mit seiner Solo-Show im Wahlkampf sehr weltmännisch dargestellt. Die Grünen haben wieder einmal eine Chance vertan. Da man der SPÖ noch weit schlimmere Stimmenverluste prophezeite, dürfte Werner Faymanns Strategie letztendlich aufgegangen sein. Ich rechne nun wieder mit einer großen Koalition - aber mit einer gerechteren Aufteilung der Ressorts.

Eva Schlegel: "Unheimlicher Wahlausgang"
Das ist ja ein Wahnsinn. Eine Katastrophe. Dass die Grünen wieder unter den Erwartungen geblieben sind, ist schade. Dass SPÖ und ÖVP derart viel verlieren, habe ich nicht erwartet. Ich bin beunruhigt, dass so viele zu rechtsradikalen Parteien wechseln. Ich frage mich, was dieses Wahlverhalten ausgelöst hat. Wir gehören immerhin zu einem der reichsten Länder Europas. Ich finde den Wahlausgang unheimlich. Interessant ist jetzt natürlich, wer die Regierung bilden wird.

Markus Prachensky: "Cordon sanitaire"
Ich finde, wenn unsere demokratischen Parteien SPÖ und ÖVP nicht im Stande sind, einen Cordon sanitaire um das rechte Lager zu bilden, dann ist eigentlich fast alles verloren. Dann kann man nicht mehr weitermachen."

Stephan Schmidt-Wulffen: "Die Lage ist ernst"
Nun werden wir also rätseln: Hält sich die SPÖ an ihre Wahlankündigung, mit der FPÖ nicht zu koalieren? Die letzten Entscheidungen im Parlament haben gezeigt, wie hoch die politische Opportunität im Kurs steht und wie wenig die Nachhaltigkeit politischer Entscheidungen zählt. Aber die Lage ist ernst: Alle Wirtschaftsindikatoren weisen auf Sturm; die sozialen Asymmetrien wurden mit den jüngsten Entscheidungen wohl kaum beseitigt und die Universitäten fühlen sich von der Politik verlassen. Von einer "großen Koalition" kann man ja kaum mehr reden, nachdem SPÖ und ÖVP derart zurechtgestutzt wurden. Am besten versuchen sie es in neuer Bescheidenheit und ohne Hintergedanken ein zweites Mal - um der Sache willen und nicht mit heimlichem Blick auf die nächste Wahl.

Robert Palfrader: "Ergebnis ist erschreckend"
Angesichts dieses Ergebnisses bin ich fast verleitet, der Kunstfigur, die ich darstelle, Recht zu geben: "Die Demokratie wird offensichtlich überschätzt." Ich meine das natürlich ironisch. Aber: Dass BZÖ und FPÖ zusammen ähnlich stark sind wie die SPÖ, das macht mich nicht nur nachdenklich, das empfinde ich erschreckend - ein anderes Wort fällt mir nicht ein.

Olga Flor: "Selbstdemontage von SP/VP"
Eine vorgezogene Neuwahl, deren Notwendigkeit nur schwer nachvollziehbar war, hat ein absehbares Ergebnis gebracht: Die bisherigen Regierungsparteien haben sich selbst demontiert zugunsten eines erneut erstarkten rechten Lagers. Was jetzt? Ein halbes Jahr Sondierungsgespräche, geschenkt, das Land wird sich schon irgendwie selbst regieren, und dann: Neuauflage der rot-schwarzen Koalition mit annähernd gleichem Ergebnis (Neuwahlen in zwei Jahren, Stimmenverluste, Zuwachs der Rechten, zurück an den Start)? So lange es noch geht? Oder bringt jemand den Mut zur Bildung einer Minderheitsregierung auf, der zwar auch nicht längere Stabilität gewährt sein dürfte, deren Form aber zumindest auf einen gewissen politischen Gestaltungswillen und auch -freiraum hoffen ließe? Oder darf das Publikum gespannt abwarten, ob beim nächsten Stadl die fidelen oder doch die originalen Bärentaler auftreten, und in welcher Reihenfolge, oder womöglich - glücklich Seit' an Seit' (was das an dichterischen Möglichkeiten eröffnen würde, nicht auszudenken!) - die original fidelen Bärentaler?

Markus Hinterhäuser: "Schande für dieses Land"
Der rechte Flügel ist nach der Selbstzerstörung nun wie ein Phönix aus der Asche gestiegen. FPÖ und BZÖ, die ja die gleiche Klientel ansprechen, sind nun deutlich stärker als Jörg Haider 1999. Das Ergebnis ist eine Schande für dieses Land, ich bin wirklich schockiert. Die politische Auseinandersetzung hat Gossenniveau, das Ergebnis ist die Konsequenz daraus.

Virgil Widrich: "Viel schlimmer als 1999"
Das Ergebnis ist viel schlimmer als 1999! Es sind nicht 30 Prozent für BZÖ und FPÖ, sondern über 50 Prozent der Stimmen für rassistische Wahlplakate, wenn man die Ergebnisse von BZÖ, FPÖ und ÖVP addiert.

Ewald Palmetshofer: "Unheilbare Verführbarkeit"
Sehenden Auges sind wir auf dieses Unheil zu gerast. Dieser Rechtsruck bestätigt die unheilbare Verführbarkeit durch rechte Hetzpolitik in diesem Land. Rot und Schwarz mögen sich hüten, jetzt zu pokern! Ein Narr, wer da noch spielen will!

Amina Handke: "Ich war zu optimistisch"
Das ist bei weitem schlimmer, als ich gedacht habe. Wahrscheinlich war ich optimistisch, weil man ja zum ersten Mal ab 16 wählen durfte. Mein gesamtes Umfeld ist grün, KPÖ oder LIF - und dadurch bin ich dann jedes Mal überrascht, wie klein die Minderheit ist, in der ich mich bewege.

Alexander Horvath: "Verlagerung nach rechts"
Ich finde es wirklich bedauerlich, dass die einzige wirkliche zivile Partei in diesem Land, die Grünen, verloren haben. Die Verlagerung nach rechts ist entsetzlich.

Cornelius Kolig: "Stammhirnwähler"
Für mich ist das Wahlergebnis eine Folge der starken Verunsicherung. Die Wählerschichten von FPÖ und BZÖ geben für viele innerösterreichische Probleme (z.B. hohe Lebensmittelpreise) der EU, der Globalisierung und Internationalisierung die Schuld. Sie reagieren mit Regression, das Stammhirn übernimmt das Kommando mit der Neigung zu einfachen Rezepten, mit Abschottung nach außen, mit Intoleranz, Nationalismus und Führersehnsüchten. Diese Reaktionen hängen mit unserer Entwicklungsgeschichte zusammen: Toleranz und Solidarität haben sich erst viel später ausgeprägt. Und bei Gefahr wird wieder auf Stammhirn geschaltet. Gar nicht abwertend bezeichne ich Menschen mit solchen Reaktionsmustern deswegen als Stammhirnwähler. Mich interessiert der Ausgang der Wahl natürlich auch im Hinblick auf die Kärntner Landtagswahl nächstes Jahr - ob der Bonus aus der Nationalratswahl Haider hier dann die Absolute bescheren kann.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.9.2008)

Weitere Reaktionen ...

 

Karlheinz Hackl: "Parteien müssen Phalanx bilden"
"Wir stehen international als die ewig Gestrigen da", ärgert sich Karlheinz Hackl, der im Sommer die Partei "Soziale Kultur Österreichs" (SKÖ) gegründet hat, aber nicht zur Wahl angetreten ist, über "den gewaltigen Rechtsruck". "Das kann uns nicht egal sein", so der Schauspieler am Montag. Heinz-Christian Strache habe "jene Labilität und Verführbarkeit der Österreicher instrumentalisiert, die immer da ist". Seiner Meinung nach müssten sich jetzt "alle Parteien zusammensetzen, die noch bei Trost sind und eine Phalanx bilden", meint Hackl, der befürchtet, dass Strache wenn schon nicht Bundeskanzler durchaus Wiener Bürgermeister werden könnte. NR-Wahl - Kaup-Hasler sieht "einseitiges Votum für den Populismus"

Veronica Kaup-Hasler: "Schwarz-Rot-Grün denkbare Alternative"
"Der Wahlausgang ist ein einseitiges Votum für den Populismus. Aber ich hätte die Lage nicht ganz so verzweifelt eingeschätzt. Werner Faymann hat mit seiner Kronenzeitungs-Allianz versucht, populistisch zu agieren. Dadurch haben am Ende die noch besseren Populisten gewonnen", meinte Veronica Kaup-Hasler, die Intendantin des Festivals steirischer herbst, in einer ersten Reaktion auf die gestrige Nationalratswahl gegenüber der APA. Sie empfände ein großes Bedauern über die ehemaligen Großparteien: "Sie haben versäumt, zu regieren und etwas zu tun." Den Grünen sei es nicht gelungen, die Oppositionsarbeit stärker zu positionieren.

Olga Neuwirth: "Rechtsruck, nicht Ergebnis von Protestwahlen"
Die Komponistin Olga Neuwirth zeigte sich gegenüber der APA "bedrückt, dass so eine Stärkung der Rechtsparteien in Österreich stattgefunden hat. Es war aber für mich vorhersehbar, das hat man am Klima gespürt." Wenn der Einzelne und nicht mehr die Solidarität im Vordergrund stehe, "dann funktioniert die einfachste Sprache, um die Menschen zu aktivieren." Daher sei Faymann auch glimpflich davongekommen, er passe sich besser an sein Publikum an, spreche klarere Sätze.

Sie halte das Resultat für einen Rechtsruck, nicht für das Ergebnis von Protestwahlen. "Jetzt muss sich die ÖVP sich entscheiden. Die Strategie von Wolfgang Schüssel hat ja ganz offenbar nicht funktioniert." Es sei jedoch schade, "dass die kleinen Parteien nicht hineingekommen sind", meinte Neuwirth.

Martin Heller: "Unglaublicher Vertrauensverlust"
"Das ist eine Ohrfeige für die bisher regierenden Parteien SPÖ und ÖVP, die in eineinhalb Jahren ein relativ bemühendes Schauspiel geboten haben." Linz09-Intendant Martin Heller sieht im Ergebnis der Nationalratswahl einen "unglaublichen Vertrauensverlust in die Politik", wie der Schweizer am Montag erklärte. Mit den starken Zugewinnen für FPÖ und BZÖ sei es zwar zu einem "Rechtsrutsch" gekommen, diesen müssen man aber relativieren. Dennoch gehöre alles, was ausländerfeindlich sei, bekämpft, betonte Heller: "Dafür steht auch das Kulturhauptstadtprogramm." In einer derartigen politischen Situation sei es umso wichtiger, im Projekt Linz09 Weltoffenheit zu demonstrieren. (APA)