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Europäische Staaten mussten am Montag in großer Eile Notausgänge für Banken und Immobilienfinanzierer öffnen, die Stimmung an den Börsen - im Bild Frankfurt - war äußerst getrübt.

Foto: AP/Michael Probst

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Grafik: APA

Die internationale Finanzmarktkrise fordert nun massiv Tribut in Europa: Der Wiener Börseleitindex ATX verlor am Montag, einen Tag nach der Nationalratswahl, 8,05 Prozent, das ist der zweitgrößte Kurssturz seit 1991.

In Belgien, Großbritannien, Deutschland, Dänemark und Island müssen Banken und Immobilienkonzerne mit Staatshilfe vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Der Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate etwa bekommt eine 35-Milliarden-Euro-Bürgschaft anderer Banken und des Staates. Die belgisch-niederländische Fortis-Gruppe erhält Hilfen im Wert von elf Mrd. Euro. In Frankreich wird die Dexia-Gruppe, in Österreich an der Kommunalkredit-Bank beteiligt, voraussichtlich auch um Unterstützung ansuchen.

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Wien - Die Bankenkrise hat Europa mit hoher Geschwindigkeit erreicht. Gleich fünf Geldinstitute mussten am Montag aufgefangen oder notverkauft werden, weitere Ausfälle drohen. Schockwellen gingen vor allem vom deutschen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate aus. Der Staat und eine Gruppe von Banken stellten eine Bürgschaft über 35 Mrd. Euro zur Verfügung, um den Zusammenbruch der einstigen HVB-Tochter zu verhindern. Grund des Beinahe-Kollapses sind Verluste bei der auf öffentliche Finanzierungen spezialisierten irischen Tochter Depfa.

"Wir werden gestärkt aus der Finanzkrise hervorgehen", war sich Georg Funke, Chef der Hypo Real Estate, noch vor kurzem sicher. Doch es kam anders: Der eigentlich zur Stabilisierung der Gewinne gekaufte irische Staatsfinanzierer Depfa brachte den Münchner Konzern jetzt an den Rand des Zusammenbruchs. Der Immobilienfinanzierer ist der erste Dax-Konzern, der in den Strudel der Finanzkrise geraten ist.

Depfa finanziert Staaten, Regionen und Kommunen sowie Infrastrukturprojekte, damit die öffentliche Hand neue Krankenhäuser, Schulen und Straßen bauen kann. Eigentlich ein todsicheres Geschäft - allerdings refinanzierte die Depfa einen Teil ihres insgesamt mehr als 230 Mrd. Euro schweren langfristigen Kreditportfolios mit kurzfristigen Finanzmitteln. Es geht dabei um immerhin rund 50 Mrd. Euro im Jahr, die sie sich kontinuierlich am Geldmarkt bei anderen Banken neu beschaffen muss. Lange war dies zu niedrigen Zinsen und fast unbegrenzt möglich. "Doch dieser Markt ist tot, was die Risiken dieser Geschäfte voll ans Tageslicht bringt", sagte ein Banker. Hypo Real Estate hatte Depfa im vergangenen Herbst für mehr als fünf Mrd. Euro übernommen.

Die Münchner sind generell stärker als andere Institute von der Refinanzierung am Interbankenmarkt abhängig, da sie keine Kundeneinlagen haben. Mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers vor zwei Wochen ist die Kreditvergabe unter den Banken allerdings wieder weitgehend versiegt, da die Häuser ihre Liquidität horten.

Die Hypo Real Estate gehört zu den Jünglingen in der ersten deutschen Wirtschaftsliga. Das Unternehmen entstand erst 2003, als die HypoVereinsbank ihr gewerbliches Immobilienfinanzierungsgeschäft abspaltete. Im Oktober 2003 ging die Hypo Real Estate an die Börse und schaffte es dort gut zwei Jahre später in den wichtigsten deutschen Aktienindex Dax. Heute sind 88 Prozent der Aktien im Streubesitz. Am Montag hieß es aus der HVB, die Bank habe "keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Immobilienfinanzierer". Auch die Bank Austria versicherte, es gebe keine Verbindung zur Hypo Real Estate.

Benelux-Aktion für Fortis

In Belgien, den Niederlanden und Luxemburg wiederum greifen die Regierungen dem angeschlagenen belgisch-niederländischen Finanzkonzern Fortis mit 11,2 Milliarden Euro unter die Arme. Der Banken- und Versicherungsriese wird teilweise verstaatlicht.

Fortis wird auch dazu gezwungen, seinen Anteil an der niederländischen Bank ABN Amro abzustoßen, den der Konzern erst im Vorjahr in einem teuren Bieterwettstreit erworben hatte. Der neue Fortis-Chef Filip Dierckx zeigte sich am Montag erleichtert über die Rettungsaktion. Dierckx räumte ein, der Einstieg von Fortis bei ABN Amro im vergangenen Jahr sei ein Fehler gewesen. Noch am Freitag hatte Fortis dementiert, in Schwierigkeiten zu sein.

Am Sonntag verhandelten in Brüssel die belgische Regie-rung, die Fortis-Führung, EZB-Chef Jean-Claude Trichet und EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes mehr als zwölf Stunden das Rettungspaket für Fortis.

Nun wird mit Spannung erwartet, ob weitere Banken in Turbulenzen geraten. Hartnäckig halten sich bei der Bank-Austria-Mutter UniCredit Gerüchte, die Mailänder Bank brauche eine Kapitalspritze von rund fünf Mrd. Euro. Auch über die Auslagerung von Wertpapieren im Wert von 1,5 Mrd. Euro wird in italienischen Medien spekuliert.

Börsen auf Talfahrt

Der Wiener ATX brach in den Nachmittagsstunden um 8,49 Prozent ein und erlebt den größten Verlust in seiner Geschichte. Den bislang größten prozentualen Absturz erlebte der Wiener Leitindex im Jahr 1997. Am 28. Oktober rutschte der ATX im Zuge der Währungskrise in Südostasien um 8,33 Prozent ab.

Der Fließhandelsindex fiel gegenüber dem Freitag-Schluss (2.998,08) um 241,38 Punkte oder 8,05 Prozent auf 2.756,70 Zähler und verzeichnete damit den zweitgrößten Tagesverlust seiner Geschichte.

In ganz Europa stürzten am Montag die Märkte und vor allem Bankaktien ins Minus, nachdem neue Hiobsbotschaften von Fortis und Hypo Real Estate Ängste vor einem weiteren Übergreifen der US-Bankenkrise auf Europa geschürt hatten. Ein Ende der Krise sei weiter nicht absehbar, meinten am Montag Aktienhändler in Wien. (APA/Reuters, as, cr, mimo, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.9.2008)