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Werner Faymann, relativer Sieger des Wahlabends: "Im Vergleich zu all den anderen Opis hat er neu und unverbraucht gewirkt", sagt ein SPÖ-Stratege.

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Der Jubel brandet mit Zeitverzögerung auf. Als bei der ORF-Hochrechnung das SPÖ-Ergebnis über den Bildschirm flimmert, herrscht im trotz Treibhausklima gut gefüllten Festzelt neben dem Wiener Burgtheater betretene Stille. Erst beim Resultat der ÖVP ein paar Sekunden später bricht Gejohle los. Zumindest ein Rennen haben die Sozialdemokraten am Wahltag gewonnen: Sie verloren weniger als die ÖVP.

Faymann und die Opis

Massiv waren die Verluste dennoch. Die SPÖ fiel auf 29,8 Prozent (Stand Hochrechnung um 18.30 Uhr), ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten. Vor zwei Jahren hatten die Roten noch um 5,6 Prozent mehr erreicht, doch von dieser Marke spricht am Wahlabend niemand. Die aktuelle Zeitrechnung beginnt für die Sozialdemokraten später: als Werner Faymann Anfang Juli Alfred Gusenbauer endgültig als Parteichef und Kanzlerkandidat verdrängte. Damals sei die SPÖ in Umfragen ja nur mehr bei 20 Prozent gelegen, argumentieren die Genossen von Parteimanagerin Doris Bures abwärts. "Jetzt sind wir allemal Erster", sagt die Wahlkampfleiterin, die eine Kampagne ohne gröbere Pannen orchestriert hatte.

"Getrübte Freude" verspürt Sozialminister Erwin Buchinger: Einerseits sei die "Blockadepolitik" der ÖVP nicht aufgegangen, andererseits habe darunter auch die SPÖ gelitten. Warum eine rot-schwarze Neuauflage nun besser laufen sollte? Buchinger hofft auf neues schwarzes Personal: "Wenn Wilhelm Molterer und Wolfgang Schüssel bleiben, haben sie das Signal missverstanden. Dann müssen wir ernsthaft eine Minderheitsregierung überlegen."

"Die Botschaft ist angekommen", meint Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, "und zwar schon vor Monaten." Die Leute würden sich mehr Augenmerk "auf soziale Bedürfnisse" erwarten, sagt sie, "und auf das Ausländerthema haben wir noch immer keine richtige Antwort gefunden". Schuld an den Verlusten sei der Murks in 18 Monaten Regierung, meint auch Prammer: "Die Zeit war dann zu kurz, um das zu korrigieren."

Am Wahlkampf - da sind sich die Sozialdemokraten einig - könne es nicht gelegen haben. Faymann habe viel richtig gemacht, meint Karl Duffek, Chef des Renner-Instituts. "Mit seinem Fünf-Punkte-Programm hat er sich aus dem Sumpf unzähliger Themen abgesetzt", urteilt der SPÖ-Stratege: "Und im Vergleich zu all den anderen Opis hat er neu und unverbraucht gewirkt."

Doch auch Faymanns Vorgänger hat großen Anteil am relativen Erfolg der SPÖ. Alfred Gusenbauer war die ganze Zeit weg - und spielte dennoch eine Schlüsselrolle. Weil er eben nichts tat.

Rückblende: Als die ÖVP Anfang Juli Neuwahlen ausrief, musste die SPÖ vollenden, was sie zuvor begonnen hatte. Gusenbauer sollte den Weg endgültig frei für Werner Faymann machen. Nicht nur als Parteichef, sondern auch als Kanzlerkandidat.

Versteckter Kanzler

Der Machtwechsel funktionierte reibungsloser, als sich das die Genossen erträumt hatten: keine Kraftprobe, keine Flügelkämpfe, kein verbales Gemetzel - auch dank Gusenbauer. Obwohl er unfein demontiert worden war, ließ sich der immer noch amtierende Kanzler kaum ein böses Wort über die Parteifreunde entlocken.

Die SPÖ konnte ihre Energie in den Wahlkampf pumpen - und der unpopuläre Gusenbauer ließ sich bereitwillig verstecken. Versuche der ÖVP, ihn nach dem Motto "Wer Faymann wählt, bekommt Gusenbauer" als designierten Außenminister auszurufen, verpufften. Sein politisches Kapital sei aufgebraucht, meinte der gefeuerte Parteichef lapidar. Eine Einschätzung, die viele Genossen am Wahlabend teilen: "Mit dem Gusi hätten wir 15 Prozent gemacht."

Mit jeder Hiobsbotschaft für die ÖVP steigt die Stimmung im roten Festzelt - getrübt freilich durch die Gewinne von FPÖ und BZÖ. Die beiden Parteien hätten die allgemeine Frustration mit einer Politik genützt, die "nationalsoziale Züge" trage, meint der Paradelinke Buchinger: "Einen echten Rechtsruck sehe ich nicht."(DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.08)