Glaubt an einen fließenden Übergang von fossilen zu alternativen Energien: der scheidende Generaldirektor von BP-Austria, Hans Strassl.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Sie sind am Dienstag den letzten Tag im Büro, tags darauf schon in Pension. Wenn Sie 37 Jahre Berufsleben bei BP Revue passieren lassen, was waren die stärksten Eindrücke?

Strassl: Markant war für mich zweifelsohne der Einstieg in die Öl- und Gaswirtschaft. Schon damals, Anfang der 1970er-Jahre, gab es die Diskussion, wie lange das Öl noch reicht. Das zweite prägende Ereignis war die Ostöffnung mit der Chance für mich, dort Aufgaben zu übernehmen. Dann die Phase der Konsolidierung in den 1990er-Jahren, als Öl zeitweise nur mehr zehn Dollar je Fass gekostet hat und man sich komplett neu ausrichten musste.

STANDARD: Inwiefern?

Strassl: Die Kosten mussten runter, die Zeit der großen Merger brach an. Ab 2004, und auch das ist eine Art Wendepunkt, begann die Zeit stark steigender Nachfrage aus China und Indien. Trotz des immens großen Energiehungers, der sich in diesem Teil der Welt eingestellt hat, gab es nie ein physisches Problem der Versorgung. Allerdings sind die Preise in noch nie gesehene Höhen geschnellt, und sie bleiben seither auch hoch.

STANDARD: Wird sich die Mergermania fortsetzen oder werden Ihrer Ansicht nach aus den großen Einheiten irgendwann wieder kleinere?

Strassl: Das glaube ich nicht. Die Risiken, die wir heute im Öl- und Gasgeschäft ein-gehen, sind so riesig, die können nur von großen Einheiten getragen werden. Zusammenschlüsse unter Giganten werden wir wahrscheinlich nicht mehr sehen, dafür aber Übernahmen von kleinen und mittelgroßen Gesellschaften durch ganz große.

STANDARD: Andererseits ist auch ein Trend zur Rückverstaatlichung zu beobachten. Gut oder schlecht?

Strassl: Das ist ein Faktum, damit müssen wir umgehen. Vor 30 Jahren waren 80 Prozent der Ressourcen in der Hand großer internationaler Gesellschaften, heute haben verstaatlichte oder staatsnahe Unternehmen die Hand auf 80 Prozent der Ressourcen.

STANDARD: Wie geht man damit um?

Strassl: Das große Thema für alle internationalen Ölgesellschaften ist heute, Zugang zu Ressourcen zu bekommen. Türöffner kann die Technologie sein, die wir haben. Die müssen wir ausspielen, um mit Staatsunternehmen, die auf den Ressourcen sitzen, ins Geschäft zu kommen.

STANDARD: Begibt man sich da nicht notgedrungen in politische Abhängigkeiten?

Strassl: Das wäre falsch. Ich glaube, man sollte sein Geschäft so neutral, klar, unabhängig und transparent wie möglich machen, dass die Geschäftspartner einen ziemlich genau kennen und wissen, was sie mit diesem Unternehmen einkaufen.

STANDARD: Die Zusammenarbeit könnte aber ziemlich einseitig werden, wenn rohstoffreiche Länder mit den riesigen Geldmengen, die sie aufgetürmt haben und weiter auftürmen, Anteile an BP und anderen Multis kaufen?

Strassl: Diese Gefahr besteht tatsächlich. Es gibt bei allen Ölfirmen aber Bestrebungen, Anteile einzelner Aktionäre nicht über eine bestimmte Größenordnung gehen zu lassen. Ich glaube, das wird man in Zukunft sicherstellen können.

STANDARD: Viele sprechen vom Ende des Erdölzeitalters. Können Sie heutzutage einem jungen Menschen guten Gewissens noch raten, Erdölwissenschaften zu studieren?

Strassl: Absolut. Wie ich 1971 zu BP gekommen bin, habe ich gefragt, ob es sich überhaupt noch lohnt, in diese Industrie zu gehen. Damals sagte man, für die nächsten 35, 40 Jahre haben wir genug Öl, also reicht es für dich. Ich würde heute einem Jungen dasselbe sagen.

STANDARD: Autofahrer stöhnen unter den hohen Preisen. Haben die auch etwas Gutes?

Strassl: Natürlich, hohe Preise geben alternativen Energien Auftrieb. BP beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit Alternativen zu Öl und Gas. Ich glaube an einen fließenden Übergang von fossiler zu alternativer Energie. Vorerst machen Öl und Gas aber noch den Löwenanteil unseres Geschäfts aus. Das wird für längere Zeit auch so bleiben.

Standard: Weil Sie damit das wirklich große Geld machen, mit Alternativenergien aber noch nicht?

Strassl: Mit der Exploration von Öl und Gas verdient man gut, keine Frage. Dieses Geld muss man aber investieren, um morgen neues Geld zu verdienen. Die Investitionen in die Öl- und Gassuche sind extrem teuer geworden

STANDARD: Sie waren auch einige Jahre Chef von BP in der Schweiz, in Tschechien und in der Slowakei. Gab es dort auch so intensive Diskussionen über den Benzinpreis wie in Österreich?

Strassl: Genauso. Ich hatte auch in der Schweiz mit wettbewerbsbehördlichen Untersuchungen zu tun. Man merkt rundherum, dass es populär ist, den Mineralölunternehmen alles Mögliche vorzuwerfen. Im Prinzip ist das Geschäft aber beinhart. (Günther Strobl, DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2008)