Manch Einkaufssender verspricht optische Wunder. Die Zahl der Beschwerden bei Konsumentenschützern steigt.

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er treueste Kunde ist die Frau über 50.

Wien – Die Moderatorin überschlägt sich vor Begeisterung. Die Wunderschäler, Luftreiniger, Zauber-Figur-Hemden und Haarwuchsmittel haben es schließlich in sich. Das finden auch Konsumentenschützer. Die Zahl an Beschwerden über Fernseh-Shopping-Angebote steigen, seufzt Renate Wagner, Leiterin des Beratungszentrums beim Verein für Konsumenteninformation. Denn viele Produkte hielten nicht, was sie versprachen. Der Preis dafür sei höher als signalisiert, der Rücktritt vom Kauf alles andere als einfach. Die betroffenen Kunden: überwiegend ältere, alleinstehende Frauen mit schmalem Einkommen.

Handelsketten kontern

Im Visier der Konsumentenschützer steht etwa Teletip mit Werbefenstern auf Sendern wie RTL, Kabel eins und Vox – und nach eigener Angabe 500.000 Kunden in Österreich. Dahinter steht die Television Merchandising AG mit Sitz in Liechtenstein. Ein Sprecher des Unternehmens räumt auf STANDARD-Anfrage Probleme in der Vergangenheit ein. Sie seien an der starken Expansion gelegen, nun aber bereinigt. Im übrigen ziehe sich Teletip nach ihrem Ausstieg aus Deutschland auch aus Österreich und der Schweiz vollständig zurück – der Verkauf via Bildschirm rechne sich nicht. Erst vor einem Jahr schlitterte der Mitbewerber WS-Teleshop International aus Wiener Neustadt in den Konkurs.

Die Preise für TV-Werbefenster steigen, ebenso die Produktionskosten der Werbefilme. Viele Handelsketten kontern in ihren Filialen mit niedrigeren Preisen für "scheinbar gleiche Produkte", klagt das Unternehmen.

Weg von der Nische

Richard Reitzner verwundert der Rückzug kleiner privater Anbieter wenig. Firmen, die die Branche mit teils unseriösen Geschäftspraktiken in Verruf gebracht hätten, würden nun stetig verschwinden, meint der Chef der Home Shopping Europa Gmbh (HSE24), eine Tochter der Primondo-Gruppe, zu der auch der Quelle-Versand gehört. "Mit Heimelektronik oder Markenware, die es an jeder Eck gibt, läuft heute nichts mehr." Und die Zeit der fragwürdigen Angebote, bei denen sich der schnelle Anrufer zum Messerset einen gratis Rollstuhl sichern konnte, sei vorbei.

Teleshopping hat in Europa die Schwelle von der skurrilen Nische zum Milliardengeschäft überschritten. Der Markt hat sich in den vergangenen sieben Jahren in Deutschland auf 1,14 Mrd. Euro fast verdreifacht, errechnete eine Goldmedia-Studie im Auftrag von HSE24. Bis 2012 soll er auf 1,6 Mrd. Euro wachsen. Der Shoppingsender HSE24 hat im Vorjahr 320 Mio. Euro umgesetzt, neun Prozent davon in Österreich. Das Ebitda lag bei 20 Mio. Euro. Heuer habe man zweistellig zugelegt, sagt Reitzner. Von einer Konsumflaute sei in seiner Branche nichts zu spüren.

Einkaufen rund um die Uhr

Besonders empfänglich für Angebote auf dem Bildschirm sei die Dame ab 50, die über Zeit und Geld verfüge. Die Bestseller reichten von Gewürzmühlen über Herzanhänger bis zu Nahrungsergänzungsmittel. Die Retourquote liegt bei 20 Prozent. Auch ganze Küchen lassen sich mittlerweile übers Fernsehen verkaufen. Verstärkt in die Sortimente kommen Tiefkühl- und Fertiggerichte. Bestellt wird dabei zunehmend auch über die Internetportale der Einkaufssender.

Die Logistik und Zahlungsmöglichkeiten werden immer besser, meint Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des österreichischen Handelsverbands. Das Teleshoppen werde zu einem fixen Bestandteil des Handels – wenn gleich vielfach auch zu Lasten des klassischen Versand- und Kataloggeschäfts.

Bei den Verkaufsshows selbst kämen keine ausgebildeten Schauspieler zum Einsatz, sagt Reitzner.Es seien meist Quereinsteiger, vom ehemaligen Radiomoderator bis zur Sekretärin. Sonst wäre es ja nicht glaubwürdig. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.9.2008)