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Am Sonntag wählt Weißrussland ein neues Parlament. Ob dabei aber den Stimmberechtigten wirklich eine Wahlmöglichkeit bleibt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Im Vorfeld hatten Oppositionelle aus Protest ihre Kandidatur zurückgezogen, diesen Schritt aber dann wieder revidiert. Mit der Kandidatur sollen nicht zuletzt "Manipulationsversuche dokumentiert" werden können, teilten Oppositionspolitiker mit.

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Auf vielen Ebenen würde Oppositionspolitikern ihre Arbeit erschwert, erklären Beobachter der Nichtregierungsorganisation "European Exchange". Vor allem "Angst" sei ein Instrumentarium der Regierung. Über Kritiker, die öffentlich zusammengeschlagen werden, wurde berichtet. Aber die Gewalt beginne schon bei der Sammlung von Unterschriften für Kandidaten. Regierungstreue sammelten diese auch im Widerspruch zum Wahlgesetz in Ämtern, Schulen oder Staatsunternehmen. Dabei werde mitunter auch mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht.

Bild: Oppositionellentreffen in Minsk: Sergey Kaliakin (li) von den Kommunisten, Anatoly Lebedko (Mitte) von der Bürgerpartei  und Anatoly Levkovich, Chef der Sozialdemokraten.

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Der Druck von Werbematerialien in einer staatlichen Druckerei sei verhindert worden, so Anatoli Lebedko (Bild), Chef der Vereinigten Bürgerpartei. Während die Opposition keinen Zugang zu Medien habe, laufe dort eine gezielte Kampagne zur Unterstützung regierungstreuer Kandidaten, wie die Initiative "Menschenrechtler für freie Wahlen" feststellte. Ein echter Wahlkampf findet nach Ansicht von Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht statt. Es gebe nur eine "schwache Aktivität" im Wahlkampf, der in einer "strikt kontrollierten Atmosphäre" stattfinde, erklärte die OSZE am Freitag.

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Im Zuge von Wahlen wurden in der Vergangenheit in Weißrussland wiederholt Oppositionelle verhaftet. Nach der Freilassung von Alexander Kosulin (Bild), Sergej Parsjukewitsch und Andrej Kim gebe es in dem osteuropäischen Land nun keine international anerkannten politischen Gefangenen mehr, hatten die EU-Außenminister unlängst festgestellt. Doch Menschenrechtsexperte Hulak warnt: Die Entlassung politischer Gefangener seitens der weißrussischen Regime sei ein "wichtiger Schritt zur Normalisierung der Situation", bedeute aber noch keine "systematische demokratische Wende".

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Ein weiterer Kritikpunkt an der Wahl betrifft den Urnengang selbst. Seit Dienstag ist in Weißrussland eine vorzeitige Stimmabgabe etwa in Kasernen möglich. Davon macht nach Schätzungen fast ein Drittel der Wähler Gebrauch. Ausländische Experten befürchten, dass es dabei zu Unregelmäßigkeiten kommen könnte, da die Urnen nicht versiegelt seien. Oppositionelle werden kaum in die lokalen Wahlkommissionen nominiert.

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Bei der Parlamentswahl 2004 konnte die Opposition kein einziges Abgeordnetenmandat erringen. Seit 2004 regiert Präsident Alexander Lukaschenko mit harter Hand die frühere Sowjet-Republik. Nach der umstrittenen Präsidentenwahl vom März 2006 hatten die Europäische Union sowie die USA Sanktionen gegen Weißrussland verhängt, zu denen Einreisebeschränkungen gegen Lukaschenko und weitere weißrussische Spitzenpolitiker und das Einfrieren von Auslandsguthaben gehören. Die EU hatte nun erwogen, diese Maßnahmen aufzuheben, falls die Parlamentswahl nach demokratischen Spielregeln abläuft.

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Der frühere Präsidentschaftskandidat und zeitweise politische Gefangene Alexander Milinkewitsch (Bild) schlug der EU vor, zunächst Kontakte auf Unterstaatssekretär-Ebene aufzunehmen und gegebenenfalls stufenweise zu erweitern. Für Kontakte auf höchster Ebene sei es dagegen noch zu früh, so der Oppositionspolitiker. Lukaschenko dagegen warnte den Westen vor einer weiteren Isolierung seines Landes. Sollte die Parlamentswahl am Sonntag nicht als demokratisch anerkannt werden, werde sich Weißrussland anderen Partnern zuwenden wie Venezuela und dem Iran.

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Das Repräsentantenhaus der Nationalversammlung mit 110 Abgeordneten hat unter der autoritären Führung von Staatspräsident Alexander Lukaschenko wenig politisches Gewicht, doch vom Verlauf des Urnenganges wird abhängen, ob der Westen die Sanktionen gegen Weißrussland aufhebt oder nicht. 350 Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) werden vor Ort sein. Weitere 500 Beobachter aus anderen Organisationen und Parlamentarierdelegationen sind am Sonntag in den Städten und am Lande bis in die entlegensten Winkel unterwegs.

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Dass möglichst viele der mehr als sieben Millionen Wahlberechtigten am Sonntag eines der 6.000 Wahllokale aufsuchen, hoffen auch der Präsident und die Regierung. Die Wahlbeteiligung muss über 50 Prozent liegen, ansonsten ist das Votum zu wiederholen. Laut Umfragen von einschlägigen Minsker Meinungsforschungsinstituten wird mit 70 Prozent gerechnet, so ein hochrangiger Sprecher des Außenministeriums zur APA. Wahlwerbung nach westlichem Muster gibt es in Weißrussland nicht. Kaum etwas deutet im öffentlichen Leben des Landes darauf hin, dass es am Sonntag um weit mehr geht, als um das Parlament.

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Lukaschenko, der seit 1994 das Ruder in der Zehn-Millionen-Republik fest in der Hand hat, will sich nach Westen öffnen. "Diversifikation" lautet die Parole sowohl in den politischen Beziehungen als auch auf den Märkten. Weißrussland, im Herzen Europas zwischen EU und Russland, sowie zwischen dem Baltikum und der Ukraine, ist ein Drehkreuz. Wer hier investiert, hat freien Zugang zum gesamten russischen Markt. Das jährliche Wachstum liegt trotz politischer Isolation bei rund acht Prozent. (mhe, APA, derStandard.at, 26.9.2008)

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