Großer Andrang beim ersten Verhandlungstag imVerfahren gegen Fritz D. Die Beweislage spricht gegen den Angeklagten. Er erklärt sich für nicht schuldig. Seine Eltern belasteten die Mutter des Buben.

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Indizien belasten den Angeklagten.

Korneuburg – Fritz D. sitzt regungslos im Saal1 des Korneuburger Landesgerichts. Bei seiner Einvernahme spricht er monoton, wie sediert. Was am Allerheiligentag des Vorjahres mit dem kleinen Luca passierte, kann er nicht erklären. "Ich liebe Kinder über alles" , sagt er. "Ich weiß nicht, wer das getan hat." "Das" – war ein schwerer sexueller Missbrauch des erst 17 Monate alten Buben, der zwei Tage später nach einem schweren Schütteltrauma an einer massiven Hirnschwellung starb. Wer es denn sonst getan haben könnte, fragt Richter Gernot Braitenberg nach. Darauf Fritz D.: "Deswegen sitz ma heute da, dass wir den finden."

Es ist bereits die fünfte Version vom Ablauf dieses 1. November, die er zum Auftakt seines Prozesses erzählt. Er sei in den frühen Morgenstunden mit seiner Lebensgefährtin Melanie G. vom Zeitungsaustragen heimgekommen. Die Nacht über hatten seine Eltern auf die beiden Söhne von Melanie aufgepasst. Gegen 10 Uhr sei er kurz aufgewacht und habe Luca einen Stock höher zu seinen Eltern gebracht, weil er nass war.

Als er mittags wieder aufwachte, habe er Luca wach aufgefunden – diesmal hätten er und Melanie den Kleinen gewickelt und ihm "eine Creme draufgegeben, weil er einen blauen Popo gehabt hat" . Das waren ältere Hämatome, wie die späteren Untersuchungen zeigten.

Dann habe er Luca wieder hinunter in den Keller gebracht, wo sein Gitterbett stand. "Er wirkte niedergeschlagen" , sagt Fritz D. Er habe ihn ins Bett gelegt, sich eine frische Boxershort und ein T-Shirt angezogen – dann habe er gesehen, wie beim Kleinen Blut aus dem Mundwinkel lief. Luca habe sich verkrampft und die Augen verdreht. Als Fritz D. mit Luca wieder aus dem Keller kam, begannen die verzweifelten Rettungsversuche. Zwei Tage später war das Kind tot.

Spuren an Luca

Für Staatsanwältin Martina Weiser besteht kein Zweifel, dass Fritz D. den Kleinen sexuell missbraucht und ihm das Schütteltrauma zugefügt habe. Dafür gebe es eindeutige Beweise. Allerdings wurden nur am Body des Buben DNA-Spuren des Angeklagten gefunden. Bei Luca selbst aber nur das Prostatasekret eines Mannes, das aber nicht eindeutig einer Person zugeordnet werden kann.

Fritz D.s Familie belastet Melanie: "Sie war keine liebevolle Mutter. Sie hatte zwei Gesichter" , so Fritz D.s Mutter. Sein Vater erklärt, Melanie habe ihm später gesagt: "Ich hab den Kleinen geschüttelt."

Ob Luca schon vorher misshandelt wurde, sei bei diesem Verfahren kein Thema, betont Staatsanwältin Weiser. Hier gehe es nur um die Vorfälle des 1. 11. Und damals waren nur zwei Männer im Haus. Fritz D. und sein Vater.

Als D.s Vater in den Zeugenstand tritt, legt er einen Zeigefinger an den Mund und wirft seinem Sohn dann einen Kuss zu. Er habe beim Wickeln keine blauen Flecken am "Popo" von Luca gesehen, sagt er. Flecken, die aber schon älter gewesen sein müssen. Und: In der Nacht zum 1. November sei er eine Dreiviertelstunde unten im Keller gewesen, weil Lucas älterer Bruder geschrien habe.
Die Mutter Lucas sagt dann aus, dass sie beim letzten Wickeln keine Spuren vom sexuellen Missbrauch gesehen habe. Fritz D. sei zuletzt "fünf bis 15 Minuten" im Keller gewesen. Ob sie ihm die Tat zutraue? Dazu sagt sie nichts.

Die molekularbiologische Expertin liefert dann ein wichtiges Indiz: Das Prostatasekret, das bei Luca gefunden wurde, wäre nach einem Stuhlgang verschwunden gewesen. Beim letzten Wickeln war aber Kot in der Windel. Und zu diesem Zeitpunkt war Fritz D. der einzige Mann im Haus. Das Urteil wird heute, Freitag, erwartet. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD – Printausgabe, 26. September 2008)