Wie viel der Tierschutz in Österreich wirklich wert ist, zeigt das Urteil einer Richterin über einen Salzburger Jäger, der nachweislich einen Seeadler (vermutlich sogar noch einen zweiten) abgeschossen hat. Er wurde freigesprochen. Ihre Begründung: Der Greifvogel könnte ein "Ausländer" gewesen sein. Der zuständige Gesetzestext spreche nämlich (in enger Auslegung) vom Tierbestand des Inlandes.

Dieses Urteil kommt zu einem Zeitpunkt, da die Behörden gegen (möglicherweise radikale) Tierschützer mit der Verhängung einer mehrmonatigen Untersuchungshaft vorgegangen sind. Der verdächtige Salzburger Jäger wurde nie inhaftiert. Und die Behörden haben auch anderswo kein gesteigertes Interesse an der Aufklärung von Greifvogel-Tötungen durch das Gift Carbofuran. Es gibt eindeutige Nachweise seitens des WWF, dass Teile der Jägerschaft insbesondere den Seeadler gezielt verfolgen.

Natürlich soll es in der Rechtsordnung weiterhin trotz jüngster Forschungsergebnisse über das "Bewusstsein" von Tieren den eindeutigen Vorrang des menschlichen Lebens geben. Aber eines hat sich geändert: Tiere sind nicht mehr als "Sachen" einzustufen. Jäger (oder Wilderer), die den wertvollen Tierbestand reduzieren, müssten mit gesteigerter Härte verfolgt werden.

Das Salzburger Urteil wirkt deshalb wie ein Persilschein für jene, denen Rote Listen genauso wurst sind wie die Mühen der Wildbiologen, ausgestorbene Arten wieder anzusiedeln. Siehe Bär, siehe Luchs. Siehe gefährdete Adler.

Wie politische Macht, fehlendes Verantwortungsbewusstsein und Einfluss der Jägerschaft ineinandergreifen, zeigt auch die Anwendung der Natura-2000-Regelungen der EU. Im Nordburgenland hat man in einzelnen Gemeinden - offiziell zum Schutz der Großtrappen - weite Gebiete für Radfahrer, Jogger und Reiter gesperrt. Nicht jedoch für Traktoren der Bauern und Jeeps der Jäger. Die seien den Trappen ja gut bekannt, heißt es. Faktum ist jedoch, dass man mittlerweile an Trappen in geringer Entfernung vorbeireiten kann, ohne dass die Vögel wegfliegen. Natura 2000 ist somit ein Vorwand, dass jene Jagdpächter, die den Gemeinden hohe Summen zahlen, tun und lassen können, was sie wollen. Zum Beispiel flächendeckend Fallen aufstellen und Giftköder auslegen zu lassen. Gegen die Beutekonkurrenten. Die Weihen, die Bussarde, die Adler lassen aus dem Jenseits der Fauna grüßen.

Es wäre hoch an der Zeit für die Spitzenfunktionäre der Jägerschaft, ihre beschwichtigende Haltung aufzugeben, durchzugreifen und nicht immer von "schwarzen Schafen" zu reden, die dann plötzlich sogar Autos für Wildschweine halten. Oder irgendwann einen Paragleiter für einen Bartgeier. Die verantwortungsbewusst Jagd ist zu wichtig, als dass man sie Verrückten, Geschäftemachern und Ideologen überlassen sollte. Die Jägerschaft läuft Gefahr, irreparable Imageschäden zu riskieren.

Es gäbe wichtigere "Abschüsse": Zum Beispiel die von Krähen und Elstern, die man mit Ausnahmegenehmigungen der EU dezimieren könnte. Weil sie mittlerweile in vielen Gegenden unseren Singvogelbestand massiv gefährden. (Gerfried Sperl, DER STANDARD Printausgabe, 22.9. 2008)