Rechtsanwalt Christian Lutz.

Foto: derStandard.at

Im Prinzip betrifft es alle Arbeitgeber- und nehmer, aber nur die wenigsten sind über ihre Rechte und Pflichten genau im Bilde: das Arbeitsrecht. Es wurde 2007 novelliert und an die "veränderten Rahmenbedingungen angepasst", wie es so schön heißt. Dem Wunsch der Wirtschaftskammer nach Flexibilisierung wurde Rechnung getragen. "Tendenziell mehr Nachteile für die Arbeitgeber" habe die Arbeitszeitgesetznovelle aber trotzdem gebracht, meint Rechtsanwalt Christian Lutz von Hasch & Partner, der beim HR-Circle über die mit 1.1.2008 in Kraft getretenen Neuerungen referierte. Die wichtigsten Modifikationen betreffen die Bereiche Arbeitszeit, freie Dienstnehmer, betriebliche Mitarbeiter- und Selbstständigenvorsorge, Sozial- und Arbeitslosenversicherung sowie Bildungskarenz.

Verlängerung der Arbeitszeit

Ein wichtiger Punkt ist die Verlängerung der Arbeitszeit bei "vorübergehend erhöhtem" Arbeitsbedarf. In höchstens 24 Wochen (vor der Novelle waren es zwölf Wochen) des Kalenderjahres können Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 und einer Tagesarbeitszeit von 12 Stunden zugelassen werden. "Dafür braucht es aber eine Betriebsvereinbarung", betont Christian Lutz. Diese sollte der Arbeiterkammer mitgeteilt werden. Kleine Firmen, die über keinen Betriebsrat verfügen, müssen eine etwaige Ausweitung der Arbeitszeit mit den einzelnen Dienstnehmern separat fixieren. Dabei bedarf es der Zustimmung einer Arbeitsmediziners, der sein OK für die Arbeiter geben muss. "Es darf gesundheitlich nicht bedenklich sein. Manche können da rausfallen", sagt Lutz.

Diese Regelung darf nur über einen Zeitraum von maximal acht Wochen en suite aufrechterhalten werden. Danach müssen mindestens zwei Wochen Pause folgen. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, generelle 12-Stunden-Schichten einzuführen. Allerdings müsse dies im Kollektivvertrag zugelassen werden oder durch eine "kollektivvertraglich ermächtigte Betriebsvereinbarung" geregelt sein. Auch hier braucht es eine "arbeitsmedizinische Unbedenklichkeit". Als leitender Angestellter unterliegt man übrigens nicht dem Arbeitszeitgesetz.

Vier-Tage-Woche

Um etwa Überstundenzuschläge zu vermeiden, kann die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu zehn Stunden ausgedehnt werden. Mittels Betriebsvereinbarung darf auch die Gleitzeit auf zehn Stunden Normalarbeitszeit pro Tag festgelegt werden. Im neuen Arbeitsrecht wurde die vier-Tage-Woche flexibilisiert. Es ist jetzt nicht mehr erforderlich, dass die Wochenarbeitszeit auf vier aufeinanderfolgende Tage verteilt wird. Die Arbeitstage können zum Beispiel Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag sein.

Für Teilzeitarbeit wurde ein Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent vereinbart. Mehrstunden können innerhalb von drei Monaten mit Zeitausgleich abgegolten werden. "So können Arbeitgeber den Zuschlägen entgehen", meint Lutz. Wenn es bei Teilzeitkräften zu ständigen Mehrstunden kommt, rät er, die wöchentliche Arbeitszeit an die Realsituation anzupassen. Ansonsten komme dies Unternehmen teuer zu stehen. Aufgrund der Mehrarbeitszuschläge könne ein Teilzeitjob für Dienstnehmer durchaus lukrativer als eine Vollzeitstelle sein.

Härtere Sanktionen

Mehr Rechte für Arbeitnehmer gibt es im Bereich der Arbeitszeitaufzeichnungen, zu denen Arbeitgeber verpflichtet sind. Die Verfallsfristen in den Kollektivveträgen wurden ausgedehnt. "Überstunden mussten davor innerhalb von drei Monaten bei Gericht geltend gemacht werden, sonst sind sie verfallen", berichtet Lutz. Jetzt sei es möglich, die Ansprüche länger einzuklagen, falls der Arbeitgeber nur unzureichende Arbeitszeitaufzeichnungen führt, was die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit erschwert. Früher sind Unternehmen mit einer Pauschalstrafe davongekommen, mittlerweile bekommen sie für jeden Verstoß eine Zahlung aufgebrummt.

Gravierende Neuerungen sind auch für freie Dienstnehmer in Kraft getreten. Sie wurden mit 1.1. 2008 in die Arbeislosenversicherung, in die Insolvenzentgeltsicherung und die betriebliche Mitarbeitervorsorge einbezogen. Ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit haben sie Anspruch auf Krankengeld. Diese sozialrechtlichen Verbesserungen für prekär Beschäftigte waren natürlich nicht gratis: Die Beiträge für die Einbeziehung der freien Dienstnehmer in die Arbeitslosenversicherung betragen sechs Prozent der allgemeinen Beitragsgrundlage und werden zwischen Arbeitgeber und - nehmer geteilt.

Freie Dienstnehmer bei der AK

Beim Bezug von Arbeitslosengeld wurden die "Freien" den Angestellten gleichgestellt. Anspruch haben jene, die mindestens ein Jahr durchgehend oder zwölf Beiträge innerhalb von 24 Monaten eingezahlt haben. Freie Dienstnehmer sind jetzt außerdem Pflichtmitglieder bei der Arbeiterkammer.

Gewerbetreibende, Freiberufler und Bauern wurden in die betriebliche Mitarbeiter und Selbstständigenvorsorge eingebunden. Erstere müssen verpflichtend 1,53 Prozent der Beitragsgrundlage ihrer Krankenversicherung zahlen. Freiberufler und Bauern können für die Selbstständigenvorsorge optieren. Eine eigene Arbeitslosenverssicherung für Selbstständige kommt mit 1.1.2009. Bei einem Beitragssatz von sechs Prozent kann die Berufsgruppe nach einem "Opting-In-Modell" frei wählen, ob sie eine Einbeziehung wünscht oder nicht. "Die Entscheidung ist dann allerdings für acht Jahre bindend", kritisiert Lutz, der eine Ein- bzw. Austrittsmöglichkeit innerhalb eines kürzeren Zeitraumes präferieren würde.

Mindestverfügbarkeit angehoben

Neu im Bereich der Arbeitslosenversicherung ist auch, dass die zeitliche Mindestverfügbarkeit von 16 auf 20 Stunden angehoben wurde. Ausnahmen gibt es nur, wenn Kinder bis zum zehnten Lebensjahr oder behinderte Kinder keine längere Arbeitszeit zulassen. Verschärft wurden auch die Zumutbarkeitskriterien. Im Normalfall darf die tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg bei einer Vollzeitbeschäftigung zwei Stunden betragen. Bei Beschäftigungslosen, die beim "Pfuschen" erwischt wurden, kann das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe für zumindest vier Wochen (vorher waren es zwei) zurückgefordert werden.

Im Rahmen der Bildungskarenz sieht das neue Gesetz vor, dass Dienstnehmer bereits ab dem zweiten Arbeitsjahr die Möglichkeit haben, eine solche Weiterbildung in Anspruch zu nehmen. Diese kann zwischen drei Monaten und einem Jahr dauern. Eine weitere Bildungskarenz kann dann nach dem Ablauf einer vierjährigen Rahmenfrist wieder angetreten werden. Die Weiterbildung muss mindestens 20 Stunden pro Woche umfassen (vorher 16). "Ein Wifi-Kurs, der nur am Donnerstag von 15.00 bis 17.00 Uhr stattfindet, ist zu wenig", so Lutz.

Generell ortet der Rechtsanwalt im Arbeitsrecht und bei den Beschäftigungsverhältnissen einen Trend in Richtung Vereinheitlichung. Die früher immer von der Wirtschaft geforderten Ausdifferenzierungen werden sukzessive eliminiert. (om, derStandard.at, 21.9.2008)