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Claudio Abbado kommt mit dem Luzerner Festival-Orchester zurück nach Wien, in jene Stadt, der er als Staatsoper-Musikchef und Wien-Modern-Gründer lange Zeit verbunden war.

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Wien - Es war zu Ostern 1999, als Claudio Abbado den damals neuen Intendanten des Lucerne Festivals, Michael Haefliger, nach Salzburg bat, um ihm von einem Traum zu erzählen. Er sollte Wirklichkeit werden, als Neugründung eines Festivalorchesters, das in Luzern von 1938 bis 1993 eine ruhmreiche Tradition besaß. Der Dirigent selbst, der es stets verstanden hatte, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Impulse zu setzen, mochte es bereits geahnt haben.

Denn Abbado, so weiß Haefliger glaubhaft zu berichten, habe das Orchester längst in seiner Vorstellung spielen gehört, ehe es existierte. Vor fünf Jahren war es dann so weit, dass sich die Eliteformation aus prominentesten Solisten, Ensembles und dem Mahler Chamber Orchestra erstmals in Luzern vorstellte - und einhellig wurde von einer Sensation gesprochen.

Die Triumphe des Orchesters lassen sich auf CD nachhören, nun begibt sich der luxuriöse Klangkörper - nach Reisen nach Rom, Tokio und New York - bereits zu seinem vierten Gastspiel in den Wiener Musikverein. Mit dabei auch Solisten wie Maurizio Pollini und Hélène Grimaud. Haefliger, der respektvoll und fast ein wenig ungläubig von der "künstlerischen Dimension" spricht, die sich hier aufgetan hat, meint indessen: "Die Gastspiele sind sicher auch gut für das Festival und die Schweiz. Aber das Wichtigste ist, dass Abbado nun mit seinem Traumorchester an jenen Ort zurückkehrt, der für ihn so wichtig war und ist." Am Tonfall ist zu spüren: Dies ist einer aus jener raren Spezies von Intendanten und Veranstaltern, die zuerst an künstlerische Dinge denken - und erst dann an die Finanzen.

So hat sich das sommerliche Lucerne Festival auch zu einem Mekka der Moderne entwickelt, die hier vorbildlich ins Programm integriert wurde und in den letzten zehn Jahren mit über 100 Uraufführungen vertreten war. "Wenn man nur das moderne Programm anschaut, könnte man das in ein zeitgenössisches Festival überführen. Wir wollen aber Verbindungen aufzeigen. Natürlich stößt Zeitgenössisches auf unterschiedliche Akzeptanz, aber bei den Pollini-Projekten mit je einer Konzerthälfte aus dem 20./21. Jahrhundert waren an die 2200 Leute im Saal."

Es geht dem Intendanten vor allem um eine Weitung des Blicks: "Was ich persönlich erlebe, ist, dass sich die traditionelle Musik in einem ganz anderen Licht darstellt, wenn man vorher etwa Stockhausen gehört hat. Das ist ein Klangerlebnis, eine Metamorphose." Das ambitionierte Programm eines Festivals mit einem Budget von etwa 15 Millionen Euro wäre jedoch nicht möglich ohne Hilfe von Stiftungen und Sponsoren, die meist für ganz konkrete Projekte stehen.

Die Gefahr einer inhaltlichen Abhängigkeit sieht Haefliger nicht: "Wichtig ist, dass man klare Vorstellungen hat, dass man auch weiß, wo die Grenzen liegen. Das ist mit Partnern aus der Wirtschaft genauso wie in der Politik. Wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen, werden Partner einen stärkeren Einfluss ausüben. Das Geheimnis ist es, die künstlerischen Vorstellungen zu kennen und zu wissen, wie man sie erreichen will. Zeitgenössische Musik ist ja sehr aufwändig, aber wenn man eine innere Überzeugung hat, kann man den enormen ideellen Gewinn durch sie vermitteln."

Neuer Raum für Oper

Jede Menge Überzeugungsarbeit hat Haefliger, dessen Vertrag bis 2015 läuft, wohl auch bereits für sein neuestes Projekt, die "Salle modulable" , geleistet, "die das traditionelle mit dem modernen Musiktheater verbinden soll. Wir wollen zum Teil das Repertoire in Zusammenarbeit mit dem Luzerner Theater bedienen, aber auch die Verbindung von Tradition und Moderne im Bereich des Theaters und der inszenierten Konzertformen fortsetzen." Das Betriebskonzept für diesen Musiktheatersaal, in dem ab 2013/14 auch Abbado und Boulez auftreten sollen, wird nach dem jetzigen Stand der Dinge am Anfang des nächsten Jahres vorliegen.

Eine Konkurrenz zu Salzburg mit dessen großer Opernschiene sieht Haefliger aber keine: "Wir werden ja keine zehn Neuproduktionen pro Saison machen und auch keine Riesenopern. Es wird eine Ergänzung sein. Die große Herausforderung sehe ich darin, eine Sprache für das Haus entwickeln, die einen Zusammenhang mit dem Raum und der Architektur ergibt, ästhetisch, in der Art der Regie und der ausgewählten Werke. Aber dafür ist es jetzt noch zu früh." Eine vorläufige Zahl bezüglich der Kosten, 61 Millionen Euro, ist indes bereits gefunden. (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 20./21.09.2008)