Foto: DER STANDARD

Der grausame Krieg gegen die Zivilbevölkerung in den Jahren 1914 bis 1918 ist kein "Ausrutscher" , sondern konstitutiver Bestandteil des modernen Kriegs überhaupt: Zu diesem Schluss kommt der Fotohistoriker Anton Holzer in seinem neuen Werk Das Lächeln der Henker. Der Titel (siehe dazu auch das Bild oben) fasst zusammen, was Holzer im Laufe seiner jahrelangen Sammlertätigkeit am stärksten aufgefallen ist: dass die Einschüchterung, Vergewaltigung, Zermürbung und Tötung von Zivilisten und Ausrottung ganzer Ortschaften nicht traurige Pflicht oder verdeckte Operationen waren, sondern freudig begrüßte - und offen publizierte - Ereignisse. Schon Karl Kraus hatte in seinen Analysen des einschlägigen k.u.k. "Bilderschatzes" auf die Vermischung von Lust und Gewalt und auf die Rhetorik des Gehorsams, hinter der sich die Aggressionen verbargen, hingewiesen.

Holzer wendet diese Einsichten auf seine eigene Recherche an. Wie schon in seiner Arbeit über die offizielle Hagio(foto)grafie der Frontkämpfe (Die andere Front) schließt er auch diesmal so vorsichtig wie letztlich überzeugend von vielen Einzelfällen, Augenzeugenberichten, Dokumenten auf das größere Ganze. Das betrifft zunächst den Ersten Weltkrieg, doch der Fotohistoriker eröffnet darauf die Perspektive auf die 90 Jahre seither. Ohne in leichtfertiges Gleichsetzen zu verfallen, weist er doch auf die deutliche Spur, die von der offiziellen Sanktionierung von Brutalität gegen die eigene und erst recht die "feindliche" Bevölkerung zu den perversen Taktiken noch modernerer Feldzüge führt. ("We had to destroy the village in order to save it." ) Unausweichlich kommt man zu Abu Ghraib. Bei der Interpretation des mit Mühe Betrachteten und kaum Erträglichen bleibt Holzer vorsichtig - was sein Buch nur umso lesenswerter macht. (Michael Freund, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 20./21.09.2008)