Es naht nicht das Ende der Welt, aber die Welt erlebt die schwerste Krise des Finanzsystems seit den Dreißigerjahren. Nach Einschätzung der Investorenlegende George Soros "sind wir gerade erst auf dem Weg mitten in den Sturm hinein".

Was als Platzen der Immobilienblase in den USA begonnen hat, erschüttert inzwischen die Grundfesten des Kapitalismus. Welche Auswirkungen die täglich neuen Hiobsbotschaften haben, lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt seriöserweise noch nicht abschätzen - und schon gar nicht beziffern.

Das trifft auch auf den vergleichsweise kleinen Finanzplatz Österreich zu. Investments österreichischer Banken beim pleitegegangenen Institut Lehman Brothers können nicht mit einem Totalausfall gleichgesetzt werden. Das Mauern der Banker lässt aber vermuten, dass die Finanzkrise die heimischen Institute stärker trifft als bisher zugegeben.

Bisher kamen österreichische Banken auch deshalb glimpflich davon, weil sie nicht massiv in den USA engagiert sind. Da es jetzt auch die osteuropäischen Börsen erwischt hat und der Handel an der Börse Moskau drei Tage in Folge ausgesetzt wurde, trifft das auch die österreichischen Institute.

Dass sich in dieser Phase Finanzminister Wilhelm Molterer mit Vertretern der Banken und Versicherungen hinstellt und versichert, Österreich sei kaum betroffen, und die ÖVP dann wenige Stunden später einen Konjunkturgipfel mit den Sozialpartnern einberuft, ist unter Leute-für-dumm-Verkaufen zu verbuchen. Die globale Finanzkrise berücksichtigt nicht den Wahltermin in Österreich.

Elf Finanzinstitute in den USA sind heuer schon bankrottgegangen, in Großbritannien ist eine Großbank gerade noch durch eine Übernahme der Pleite entgangen. Von den einst fünf großen Investmentbanken bleiben nur zwei - vorerst.

Um eine Katastrophe größeren Ausmaßes zu verhindern, hat die US-Regierung die größte Versicherung des Landes de facto verstaatlicht. Präsident George W. Bush schließt weitere Eingriffe nicht aus. Ob diese Feuerwehreinsätze richtig waren, wird sich zeigen. Bereits deutlich wurde jedoch, dass auch US-Politiker Verantwortung übernommen und nicht alles dem freien Markt überlassen haben.

Investoren wie Soros oder angesehene Ökonomen wie Nouriel Roubini haben bereits beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Jänner Regeln für die Finanzwirtschaft gefordert. Passiert ist allerdings nichts. So ist wertvolle Zeit verlorengegangen.

Die Frage, wie es weitergehen soll, stellt sich jetzt umso dringender. Diese Woche, in der sich die Börsen weltweit auf Talfahrt befinden, markiert das Ende der Ära des legendären Notenbankchefs Alan Greenspan und des scheinbar endlosen Zyklus, immer mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Notenbanker haben sich jahrelang wie die Alchemisten des Geldes gebärdet.

Die meisten Länder dieser Erde, insbesondere jene in Europa, haben profitiert vom schuldenfinanzierten US-Boom. Die Weltherrschaft des angelsächsischen Finanzkapitalismus ist jetzt an ihr Ende gelangt. In der neuen Finanzwelt werden auch Staatsfonds aus dem Osten eine Rolle spielen.

Es müssen neue Regeln gelten: Die Finanzmärkte brauchen Kontrolle, auf Weltbank und Internationalen Währungsfonds kommen daher neue Aufgaben zu. Politiker sollen sich weiterhin von der Wirtschaft fernhalten. Die Notenbanken dürfen nicht nur die Geldstabilität im Auge haben, sondern müssen auch versuchen, Spekulationsblasen rechtzeitig entgegenzuwirken. Die bisherige Annahme, das Wachstum gehe unendlich weiter, gehört der Vergangenheit an. Das trifft uns alle. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2008)