Wien - Was Arbeit für sein Leben bedeute? "Zukunft", antwortet Hakan Mutlu knapp. Der 16-Jährige ist auf der Suche nach einer Lehrstelle - und damit nicht alleine. Neben ihm sitzen andere Jugendliche, denen es gleich ergeht. Alle klicken sie sich durch die Datenbank des Arbeitsmarktservice (AMS) in der Zweigstelle Neubaugasse. Es ist ungewohnt ruhig hier, die Wiener AMS-Anlaufstelle für Jugendliche ist meist völlig überfüllt.

Angesprochen auf die kommenden Wahlen zucken die jungen Arbeitslosen die Schultern, sie wollen kein Wort dazu verlieren - es interessiert sie nicht. Einzig Mutlu möchte von seinen Erfahrungen sprechen. Leise erzählt er von seiner Suche nach einer Stelle als Elektroinstallationstechniker und seinem Frust über Politiker.

Er ist einer unter vielen, laut AMS-Statistik waren im Juli 2008 2666 Jugendliche in Wien auf Lehrstellensuche. Bundesweit waren es 9083, nur die Hälfte von ihnen hätte eine reelle Chance auf einen Ausbildungsplatz gehabt - denn die Zahl der offenen Lehrstellen war im selben Zeitraum nur halb so hoch, sie lag bei 3994 Arbeitsplätzen österreichweit.

Trotz dieser brisanten Zahlen interessiert sich Mutlu kaum für die anstehende Nationalratswahl oder Politik im Allgemeinen. "Die Politiker denken nur an sich selbst", sagt er resigniert. Dass er bereits wahlberechtigt ist, weiß er noch gar nicht - nur, welche Partei er in diesem Fall wählen würde: "SPÖ, so wie meine Eltern."

Viele Jugendliche orientierten sich bei der Wahlentscheidung an ihren Eltern, um sich nicht mit den Themen des Wahlkampfs herumschlagen zu müssen, stellte die Maturantin Isabel in ihrem Umkreis fest. "Kein Wunder", meint die 18-Jährige. Die seitenlangen, oft schwer zu verstehenden Elaborate auf den Websites der Parteien entmutigten viele Jugendliche, sich via Internet ein eigenes Bild zu machen. Sie selbst sei da anders, sagt Isabel, sie wolle mit ihrer "Stimme etwas bewirken".

Hauptsache Geld

Ihr nächstes Ziel hat Isabel klar vor Augen: die HAK-Reifeprüfung ablegen. Und dann? "Ich hab Angst vor dem Danach, die Matura hat ja praktisch jeder, das schützt nicht vor Arbeitslosigkeit." Studieren ist für sie deshalb nicht nur eine Interessenfrage. Welche Studienrichtung es werden soll, weiß sie noch nicht - Geschichte, "aber nur als Nebenfach" interessiert sie, als Hauptfach kommt es für sie nicht in Frage. Daneben plant Isabel, sich einen Job zu suchen, mit dem sie ihre Ausbildung finanzieren kann - welcher es wird, ist ihr egal, Hauptsache das Geld stimmt.

"Ich hoffe, dass sich eine Partei anstrengen wird, um gegen Arbeitslosigkeit vorzugehen", sagt Isabel. Was konkret unternommen werden soll, weiß sie jedoch nicht so recht. Im Gegensatz zu ihr hat Mutlu konkrete Wünsche an die Politik. Er schlägt eine Erhöhung der finanziellen Unterstützung für Arbeitslose vor - "obwohl ich keine bekomme" - und eine verstärkte Förderung des AMS vor. Dass sich mit der nächsten Regierung die Dinge ändern werden, glaubt er allerdings nicht.

"Weniger Steuern, und dass die Inflation ein wenig zurückgeht", erhofft sich dagegen der OMV-Lehrling René Schadulek (18) von der neuen Regierung. Er ist glücklicher als Mutlu, darf bereits das zweite Lehrjahr beim Mineralölkonzern absolvieren. René steht in einem der kleinen Innenhöfe des OMV-Bildungszentrums in Gänserndorf, mit Kollegen genießt er die frische Luft und seine "Pausentschick". Er verbringt sonst den ganzen Tag in der Klasse.

Auf die große Koalition angesprochen, zeigt er seine Enttäuschung: "Gusenbauer war nicht so gut wie alle geglaubt haben." Nun hoffe er auf Werner Faymann. Petra Polak*, Romana Riegler*, DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2008)