Schilddrüsenkarzinom mit Lungen- und Knochenmetastasen
unter Radiojodtherapie

Foto: Christian Pirich

Die Diagnose Krebs ist zunächst immer ein Schock. Das gilt auch für das Schilddrüsenkarzinom, obwohl dieser bösartige Tumor gute Gründe bietet optimistisch zu sein. "Die Therapie eines Schilddrüsenkarzinoms geht mittlerweile ohne Beeinträchtigung der Lebensqualität einher", betont Christian Pirich, Leiter der Universitätsklinik für Nuklearmedizin und Endokrinologie an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg und hält diesen Aspekt neben der Tatsache, dass 80 bis 95 Prozent der 350 jährlichen Neuerkrankungen in Österreich völlig geheilt werden, für entscheidend.

Kleiner Tumor - gute Prognose

Ist der Tumor im Durchmesser kleiner als einen Zentimeter und zählt er histologisch betrachtet zu den papillären differenzierten Schilddrüsenkarzinomen, dann ist die Prognose der Patienten fantastisch. In den meisten Fällen reicht die völlige oder zumindest teilweise chirurgische Entfernung der Schilddrüse aus. Jedoch, gerade der Schilddrüsenkrebs ist keine ausschließliche Domäne des Chirurgen, sondern vielmehr die des Nuklearmediziners. In der Diagnose, Therapie und Nachbehandlung hat er ein entscheidendes Wort mitzureden.

Therapie mit Radioaktivität

Die Ironie des Schicksals: Obwohl nach Tschernobyl für den Anstieg von Schilddrüsenkrebs in der dort ansässigen jungen Bevölkerung verantwortlich gemacht, ist radioaktive Strahlung unverzichtbarer Bestandteil in der Behandlung dieser Krebsart. "Leider wird radioaktive Strahlung immer noch ausschließlich als Bedrohung betrachtet", bedauert der nuklearmedizinische Experte und will die Gefährlichkeit eines Atomreaktorunfalls damit nicht schmälern. Das Wissen über den medizinischen Nutzen der gefürchteten Strahlung ist aber vielerorts noch sehr gering.

Krankes Gewebe entfernen

Dabei spricht der Erfolg für sich. Die Heilungschancen für Patienten die an einem Schilddrüsenkarzinom leiden, stehen gerade mit Zuhilfenahme der Radiojodtherapie sehr gut. Warum Radioaktivität überhaupt erforderlich ist, erklärt sich mit der besonderen Lage des Organs und seiner Nähe zu wichtigen Nerven und Gefäßen. Problematisch für den Betroffenen: Je größer der bösartige Tumor, desto größer das Risiko, dass Schilddrüsengewebe im Körper zurückbleibt, indem sich vielleicht noch Krebszellen befinden. Ziel der Radiojodtherapie ist es, Patienten auch von diesen befreien.

Jodkapsel zerstört Restgewebe

Das Prinzip ist also einfach und es funktioniert. Vier bis sechs Wochen nach operativer Entfernung der Schilddrüse schlucken die Patienten eine Kapsel, die mit radioaktivem Jod gefüllt ist. "Sofern noch verbliebenes Schilddrüsengewebe existiert, nimmt dieses das Nuklid auf", erzählt Pirich und weiß warum dieses im Anschluss auch stirbt: Radioaktive Strahlung, die beim Zerfall des radioaktiven Jods frei wird, ist für den Zelltod verantwortlich.

Lebenslange Kontrolle

Offen bleibt die Frage: Warum dringt radioaktives Jod nicht auch in alle anderen Zellen des Körpers ein? "Im Gegensatz zu anderen Zellen benötigt die Schilddrüse zur Herstellung ihrer Hormone Jod", weiß Pirich. Die Aufnahme richtet sich also nach der Nachfrage. Statistisch betrachtet erhöht sich für Patienten mit Schilddrüsenkarzinomen auch das Risiko Jahre später an Brust- oder Blutkrebs zu erkranken. Jedoch geschieht dies unabhängig von einer vorangegangenen Radiojodtherapie und die genauen Ursachen dafür sind noch unerforscht. Lebenslange Kontrollen bleiben den ehemaligen Krebspatienten in weiterer Folge aber nicht erspart.

Unangenehme Nebenwirkungen

Ein unangenehmer Part in der Behandlung mit radioaktivem Jod existiert, allerdings wird dieser für immer weniger Betroffene auch zur Realität. Nach der Operation heißt es vier Wochen auf die Jodkapsel warten - Zeit, in der die Schilddrüsenhormone im Blut sinken und der Jodhunger steigt. Gierig warten noch vorhandene Schilddrüsenzellen auf das radioaktive Jod, mit dem sie vermeintlich neue Hormone zu bilden gedenken. Neben den Schilddrüsenhormonen sank bis vor kurzem auch die Lebensqualität für viele Patienten, da sich Beschwerden einer Schilddrüsenunterfunktion bemerkbar machten. Wochen geprägt von Müdigkeit, Leistungsminderung, depressiven Verstimmungen und dem permanenten Gefühl zu frieren.

"Seit es rekombinantes TSH gibt, kann man sich diese Symptome in vielen Fällen ersparen", erwähnt Pirich abschließend. Mit gentechnisch hergestellten Schilddrüsenhormonen wird dem Organismus eine Unterfunktion vorgetäuscht und den Patienten damit ein weiterer Schrecken in der Therapie des Schilddrüsenkarzinoms genommen. (phr, derStandard.at, 18.9.2008)