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Erst protestierten die Grünen im Parlament, nun schließen sich prominente Sozialdemokraten an: Sie halten den rot-blauen Vorstoß für Volksabstimmungen über EU-Verträge für "nicht tragbar".

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Wien - "Dieser Antrag ist nicht tragbar", sagt der SPÖ-Europaparlamentarier Hannes Swoboda: "So etwas kann man nicht in einer Woche hinschludern." Swoboda meint damit das Ja seiner Parteikollegen im Parlament zu einem Vorschlag der FPÖ. Diese nennen den Antrag, der bei der Sondersitzung des Nationalrats vergangenen Freitag mit Stimmen der SPÖ auf Schiene gebracht wurde und am 24. September abgestimmt wird, "Dichandbrief". Gefordert wird eine Volksabstimmung, wenn die "vertraglichen Grundlagen" der EU "wesentlich geändert werden".
Das verlangte auch die SPÖ in ihrem Brief an die Kronen Zeitung - mit einem feinen Unterschied: Das Volk sollte nur abstimmen, falls Österreichs Interessen berührt sind. Diese Klausel findet sich im Gesetzestext, der in die Verfassung soll, nun aber nicht. Sondern nur in der Antragsbegründung.

"In Teufels Küche"

"Das stimmt nicht mit dem überein, was die SPÖ beschlossen hat", kritisiert Swoboda. Doch selbst wenn der Passus noch ins Gesetz käme, hielte es der Europaabgeordnete für „untauglich", die Pflicht zur Volksabstimmung in die Verfassung zu schreiben: „,Österreichische Interessen‘ ist ein dehnbarer Begriff. Da kommt man in Teufels Küche." Swoboda plädiert für einen anderen Weg: Die SPÖ solle sich im Falle des Falles im Nationalrat einfach eine Mehrheit für eine Volksabstimmung suchen.
OECD-Botschafter Wolfgang Petritsch, für die SPÖ 2002 noch als potenzieller Außenminister angetreten, warnt vor „einem gefährlichen Weg". "Die europäische Integration" sei „zu ernst", um einen Antrag, "wie er von der FPÖ vorgeschlagen wurde", zu verwenden: "Darin sind die Extremisten besser als eine Partei, die Verantwortung für den Staat hat." Nachsatz: "Ich habe aber den Eindruck, dass die SPÖ jetzt erkennt, dass man sich auf eine schiefe Ebene begeben hat, auf der man sich den Populisten ausliefert."

"Absurd" nennt der Verfassungsjurist Heinz Mayer den blau-roten Antrag: "Bei jeder Vertragsänderung würde ein Streit ausbrechen, ob diese grundlegend sei oder nicht. Davor kann ich nur warnen." Die Einschränkung auf „österreichische Interessen" hält er für wirkungslos, schließlich seien diese von jeder Änderung berührt. Fest stehe: "Wenn dieses Gesetz kommt, muss auch über neue EU-Beitritte, etwa von Kroatien, abgestimmt werden." Was die SPÖ bislang eigentlich nie wollte.
"Das ist auch nicht gesagt", widerspricht SPÖ-Klubchef Josef Cap: "Uns geht es um Verträge wie jenen von Lissabon." Wie er dann argumentieren könne, dass über einen Beitritt der Türkei - wie in der Antragsbegründung gefordert - sehr wohl abgestimmt werden soll? Cap: "Die Türkei hat eine andere Dimension, die EU wäre überfordert. Kroatien ist ein schönes Land an der Adria, die Türkei grenzt an Länder wie Iran, Irak und Syrien."

"Dass der Beitritt von zwei Millionen Menschen nicht eine wesentliche Änderung bedeute, muss mir erst einmal einer vorhupfen", ärgert sich EU-Staatssekretär Hans Winkler (ÖVP). Was er ebenfalls "bedenklich" findet: Jede Vertragsänderung würde zu einer Diskussion führen, ob eine Volksabstimmung nötig sei. „Dann würde die Krone eine Kampagne machen oder eine Gruppierung Verfassungsklage einbringen - was uns für ein Jahr blockieren würde."
"Die ÖVP will das Volk einfach nicht einbeziehen", kontert Cap: "Wir stimmen dem Antrag am 24. September zu." Der Haken: Für das Verfassungsgesetz brauchen SPÖ und FPÖ zwei Drittel der Stimmen - und damit die ÖVP. (Gerald John und Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2008)