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Charles Darwin sei vom Vatikan nie verurteilt worden, sein Buch sei nicht auf dem Index gestanden, erklärte der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Erzbischof Gianfranco Ravasi. Im März 2009 soll das Thema bei einer interdisziplinären Fachtagung diskutiert werden.

Fotos: AP/Mike Segar

Vatikan - 150 Jahre nach der Veröffentlichung von Darwins Hauptwerk "Die Entstehung der Arten" will der Vatikan nun die Evolutionstheorie neu diskutieren. Die für März 2009 geplante Expertentagung solle helfen, Vorurteile und Arroganz auf beiden Seiten abzubauen, sagte der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Erzbischof Gianfranco Ravasi, bei der Vorstellung der Konferenz am Dienstag im Vatikan laut Kathpress.

Charles Darwin sei vom Vatikan nie verurteilt worden, sein Buch sei nicht auf dem Index gestanden. Allerdings gebe es auch kritische Fragen seitens des katholischen Lehramts.

Keine Entschuldigung

Anders als die Anglikaner wolle sich der Vatikan nicht bei Darwin entschuldigen. Eine solche Geste wäre sinnlos, weil die katholische Kirche den Begründer der Evolutionstheorie nie verurteilt habe, erklärte Kurienerzbischof Ravasi. Man solle überdies "aufhören, die Geschichte als ein ständiges Tribunal zu betrachten", so der der Präsident des Päpstlichen Kulturrates. Die anglikanische Kirche hatte am Montag in einem aufsehenerregenden Schritt eingeräumt, mit ihrem anfänglichen Widerstand gegen die Evolutionstheorie einen Fehler begangen zu haben.

Zwischen Naturwissenschaft und Theologie gebe es "keine Chinesische Mauer und keinen Eisernen Vorhang", sagte Ravasi. Aus Sicht des Vatikans sei die Evolutionstheorie grundsätzlich mit der Bibel und der kirchlichen Lehre vereinbar. Er wies auf entsprechende Aussagen der Päpste Pius XII. und Johannes Paul II. hin.

Johannes Paul II. hatte den wachsenden Konsens der Wissenschaftler hervorgehoben, aber zugleich weltanschauliche Deutungen der Evolutionstheorie mit materialistischer Stoßrichtung zurückgewiesen. Diese Frage falle in die Zuständigkeit der Philosophie und darüber hinaus der Theologie, hatte er betont.

"Zwei Sichtweisen auf dieselbe Wirklichkeit"

Ravasi unterstrich, es sei wichtig, einen offenen, effektiven und ideologiefreien Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie aufzubauen. Es gehe um "zwei Sichtweisen auf dieselbe Wirklichkeit". Bisweilen habe jedoch in der Vergangenheit die Absicht der Glaubensverteidigung die Haltung gegenüber naturwissenschaftlichen Thesen dominiert, räumte er ein. Hier verlangte der Erzbischof einen "Akt der Demut" im Blick auf die Grenzen des eigenen Fachs. Naturwissenschaftler ihrerseits dürften den Glauben nicht als "intellektuelle Altsteinzeit" ansehen. Naturwissenschaft und Religion stünden nicht in Gegensatz zueinander, sondern müssten einander ergänzen.

Interdisziplinärer Austausch

Der Päpstliche Kulturrat hat die Schirmherrschaft über die Tagung übernommen, bei der 36 europäische und US-amerikanische Wissenschaftler referieren. Die Veranstaltung trägt den Titel "Biological Evolution: Facts and Theories. A Critical Appraisal 150 Years after 'The Origin of the Species'" (Biologische Evolution: Fakten und Theorien. Eine kritische Würdigung 150 Jahre nach der "Entstehung der Arten"). Organisiert wird das Treffen gemeinsam von der Päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom und der katholischen University of Notre Dame in South Bend (USA). Die Tagung vom 3. bis 7. März 2009 ist Teil des 2003 ins Leben gerufenen Projekts "STOQ" für den interdisziplinären Austausch zwischen Naturwissenschaft, Theologie und Philosophie. (APA/red)