Rom - Wenige Tage nachdem sich Italien und Libyen über eine Entschädigungsvereinbarung für die Folgen der Kolonialzeit geeinigt haben, muss sich die Regierung in Rom mit weiteren Forderungen auseinandersetzen. Die Vereinigung der jüdischen Libyer hat den italienischen Premier Silvio Berlusconi aufgerufen, in die zwischen Italien und Libyen getroffene Entschädigungsvereinbarung für die Folgen der Kolonialzeit einbezogen zu werden.

Italien und Libyen müssten wegen der Kolonialzeit und der durch den libyschen Revolutionschef Muammar Gaddafi initiierten Revolution im Land Entschädigungszahlungen an die jüdischen Libyer leisten, die darunter besonders gelitten haben, berichtete die römische Tageszeitung "La Repubblica" am Dienstag. In Libyen seien die Rassengesetze mit besonderer Härte angewandt worden, zudem habe es auf direkte Order des faschistischen Diktators Benito Mussolini Deportationen gegeben.

KZ bei Tripolis

Die jüdischen Libyer wiesen auf das erste Konzentrationslager in der Nähe von Tripolis hin, in dem 600 Juden, darunter auch viele Kinder, starben. Einige von ihnen wurden nach Italien und dann in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Auch nach dem Krieg habe sich die Situation der jüdischen Libyer nicht verbessert, hieß es. Rund 40.000 Juden lebten in Libyen während der italienischen Besatzung in den Jahren zwischen 1911 und 1938. Als Gaddafi 1969 die Macht im Land ergriff, lebten nur noch 5.000 jüdische Libyer, die mehrheitlich das Land verließen.

Berlusconi hatte vor zwei Wochen bei einem Kurzbesuch in dem nordafrikanischen Land ein Abkommen unterzeichnet, in dem sich Rom verpflichtet, über 25 Jahre verteilt fünf Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) in Form von Projektinvestitionen zu zahlen. Berlusconi entschuldigte sich im Namen des italienischen Volkes bei Libyen für das während der Besatzungszeit von 1911 bis 1942 erlittene Unrecht. Der libysche Staatschef Muammar Gaddafi sprach von einem "historischen Augenblick".

Teil des neuen Abkommens ist auch eine stärkere Zusammenarbeit beider Länder im Kampf gegen die illegale Einwanderung. Italien ist wie andere südliche EU-Staaten immer wieder Ziel von Flüchtlingen aus verarmten afrikanischen Regionen, die in meist viel zu kleinen und nicht hochseetauglichen Booten die gefährliche Überfahrt nach Europa wagen. Bisher hatte sich Libyen wegen der nicht geregelten Kolonialfrage bei der Kooperation zurückgehalten. (APA)