Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA hat eine umstrittene Werbeform im Internet für sich entdeckt. Im Social-Network Facebook tauchen seit 5. September Werbebanner mit Botschaften auf, die sonst nur von Boulevard-Zeitungen bekannt sind. Wie das Wall Street Journal (WSJ) berichtet, wurden Nutzer plötzlich mit einfliegenden Fotos der Vize-Präsidentschaftskandidatin der Republikaner, Sara Palin, und der Überschrift: "AP sagt: Palin lügt" konfrontiert. Doch gab die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) kurze Zeit später bekannt, dass sie gar nicht für diese Werbeschaltungen verantwortlich sind.

"Washington Post knackt einen anderen Palin-Skandal"

Ähnlich erging es den Machern der Washington Post, die ebenfalls in Facebook über sich folgende Überschrift auf einer Werbeeinblendung lesen mussten: "Washington Post knackt einen anderen Palin-Skandal". Beim Klick auf den Banner gelangten User zu einem Palin-kritischen Artikel auf washingtonpost.com. "Wir dachten, wir hätten die ganze Bandbreite an kreativen Wegen gesehen, die Leute beschreiten, um Aufmerksamkeit für Internetinhalte zu erhaschen", sagt Dave Tomline, Associate General Counsel for the AP, gegenüber dem WSJ. "Aber Werbung mit provozierenden Teasern zu kaufen, das ist ein neuer Weg."

MoveOn

Statt den Nachrichtenmachern steckt in Wirklichkeit die sich als liberal bezeichnende Gruppe MoveOn.org hinter den Anzeigen. Ein Blick auf die Website der Organisation verrät, dass das Herz von MoveOn.org wohl eher auf der demokratischen Seite schlägt. Kein Wunder also, dass ein dritter Slogan sich mit den angeblichen Unzulänglichkeiten von John McCain beschäftigte. "Wir sind sehr besorgt darüber, dass Leser denken könnten, dass wir einen von beiden Präsidentschaftskandidaten favorisieren", so Tomline weiter. Einen ähnlichen Tenor stimmt auch Goli Sheikholeslami, Generalmanager von washingtonpost.com, an: "Wir können es nicht gutheißen, wenn Werbung irgendwo auftaucht, die den Eindruck erweckt, von uns gesponsort zu sein, es jedoch nicht ist." Zwar beklagt man auch beim WSJ die Vorgehensweise von MoveOn.org, wollte sieaber nicht weiter kommentieren.

Bei Facebook verteidigt man hingegen die ungewöhnliche Wahlwerbung. "Wir erlauben Fürsprecher beider Seiten auf Facebook Reklame zu machen. Dabei legen wir gleiche Maßstäbe wie für gewerbliche Werbung an", sagt Facebook-Sprecher Matt Hicks. Durch das "Self-Service Advertising System" von Facebook können Werber selbstständig ihre Anzeigen auf der Seite platzieren, sodass eine Kontrolle der Inhalte nur schwer möglich ist. Abgerechnet wird wie im Web üblich über die Klickzahl auf die Werbefläche.

Pflicht

Die untypischen Anzeigen sind nur durch eine Lücke im US-amerikanischen Wahlkampfrecht überhaupt erst möglich geworden. Normalerweise registriert die Federal Election Commission alle Werbetreibenden im Wahlkampf und verpflichtet sie, auf Materialen deutlich zum Ausdruck zu bringen, wer für die Produktion von Plakaten, TV-Spots oder Radiobeiträgen verantwortlich ist. Einzig bei besonders kleinen Gegenständen, wie Pins, Stiften, Stickers und Kurznachrichten bis 160 Zeichen gilt diese Regelung nicht. "Dadurch, dass Facebook nur 25 Zeichen im Titel und 135 im Hauptteil zulässt, brauchen wir uns nicht preiszugeben", erläutert MoveOn.org seine Taktik. (pte)