Rom/London/Turin- Mit den Folgen der Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers befassen sich heute, Dienstag, folgende europäische Zeitungen:

"La Repubblica" (Rom)

"Dies ist die andere Seite des "amerikanischen Traums". Der amerikanische Alptraum. Die Lehman-Katastrophe, die sich jetzt nur zwei Wochen nach der Rettung der beiden wichtigsten halbprivaten Hypothekenfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae durch die Regierung ereignete, sorgt für Panik in der Finanzindustrie. Denn die hielt sich für unsinkbar und erlebt jetzt den Untergang einer "Titanic" nach der anderen.

Dies ist ein Beispiel für die Triumphe und die unvermeidlichen und notwendigen Katastrophen, die in einem skrupellosen Wirtschafts- und Finanzsystem Bettler in Milliardäre und mit der gleichen Tobsucht Milliardäre in Bettler verwandeln. (...) Es gäbe kein Amerika ohne die Desaster, die den Kontinent zerstört und dann wieder aufgebaut haben."

"La Stampa" (Turin)

"Das Herz des amerikanischen Finanzsystems macht eine dramatische Verwandlung durch. Ein Prozess irreversibler Veränderung, den es so seit 1929 nicht mehr gegeben hatte. Erst vor zehn Tagen war der amerikanische Staat gezwungen, die beiden Hypothekenfinanzierer- Giganten Fannie Mae und Freddie Mac zu retten (...). Am vergangenen Wochenende wurden hingegen die großen Wall-Street-Häuser, die das Herz des globalen Finanzsystems sind, von einem heftigen Ruck erschüttert. Nach Wochen intensivster Verhandlungen, um einen Käufer zu finden, hat Lehman Brothers in New York Insolvenz angemeldet: Ein fast undenkbares Ereignis."

"The Times" (London)

"Wenn man fragt, wer Schuld am Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers ist, hört man zwei Worte als Antwort: Dick Fuld. Herr Fuld war seit 1994 der herrische Chef bei Lehman, der viertgrößten Investmentbank der USA. (...) Herr Fuld war ein dreister Mogul der Wall Street, der seine Kollegen öffentlich niedergemacht hat. Er war gut darin, etwas geradeheraus zu sagen. Aber er war weniger gut im Zuhören. Und letztendlich führte er sich selbst und alle um ihn herum in die Irre, indem er sagte, er und seine Bank hätten die nötigen Maßnahmen getroffen, um dem Sturm auf dem Finanzmarkt zu trotzen."

"Nepszabadsag" (Budapest)

"Die Entscheidungen amerikanischer Verbraucher beeinflussen die Leistung der Weltwirtschaft in bedeutenderem Maße, als wir es gedacht hätten. Der Rückgang der Nachfrage in Übersee hat die Produktion der europäischen Unternehmen, der EU-Volkswirtschaften, viel mehr gebremst als wir erwartet hätten. (...) Nachdem solche Giganten ins Wanken geraten oder eingestürzt sind, von denen dies niemand niemals geahnt hätte, fragt sich jetzt der Normalverbraucher: Wer ist der nächste? (...) Die Kreditkrise ist nicht zu Ende - es ist zu befürchten, dass sie jetzt erst richtig anfängt."

"Jyllands-Posten" (Aarhus)

"Niemand kann übersehen, dass die Zahl der Investmentbanken von Weltklasse an der New Yorker Wall Street in wenigen Monaten von fünf auf zwei zurückgegangen ist. Und das, obwohl es inzwischen alle möglichen Sicherheitsregeln für verantwortliche Unternehmensführung und rechtzeitiges Eingreifen gibt. Die Gefahrenlampen haben lange Zeit geblinkt. Aber die zuständigen Behörden hielten erst vornehm Abstand, um dann in der um sich greifenden Krise doch noch das gute Geld der Steuerzahler dem schlechten der Finanzindustrie hinterherzuwerfen. Am Ende mussten sie dann feststellen, dass auch der eigentlich gar nicht erklärte gute Wille der Steuerzahler auch nicht ausreichte, um die Krise zu bremsen. Jetzt ist die Katastrophe da, die genau wie der Untergang der "Titanic" zu vermeiden gewesen wäre. Man hätte sie vermeiden müssen."

"Baseler Zeitung" (Basel)

"Der Konkurs gibt dem Markt das Signal, dass sich die Finanzindustrie in Zukunft nicht mehr im gleichen Maße wie bisher auf die Hilfe der amerikanischen Notenbank und der Regierung verlassen kann. Die Banken sind aufgefordert, sich selber zu helfen. So ist auch der Liquiditätspool zu verstehen, den zehn große Banken mit Beteiligung von UBS und Kredit Suisse übers Wochenende auf die Beine stellten.

Der Pool ist eine Antwort auf die Vertrauenskrise im Finanzsystem, in der Banken ihre Liquidität lieber horten, als Geld in Umlauf zu bringen, um damit das System in Gang zu halten. Wie funktionstüchtig dieser Liquiditätspool ist, lässt sich kaum schlüssig beurteilen. Wichtiger ist vielmehr, dass die Banken endlich damit begonnen haben, sich selber zu helfen."

"El Periodico" (Barcelona)

"Es ist wie vor einem Jahr, nur schlimmer. Als im August 2007 die Hypothekenkrise das Bankensystem erschütterte, sprach man von Rissen in einzelnen Seitenwänden des Gebäudes. Eine solche Wand könne schon mal einstürzen, solange die tragenden Wände intakt blieben, hieß es damals. Nun aber treten selbst in den Stützpfeilern Risse auf.

Es zeigt sich jetzt, dass die neokonservative Politik einer totalen Selbstregulierung des weltweiten Bankensystems verheerend war. Nun werden alle zur Kasse gebeten, die Sparer wie die Steuerzahler. Das ist unmoralisch. Aber man muss immer wieder daran erinnern, wenn eine Bank zusammenbricht." (APA/dpa)