Prag - Der umstrittene tschechische Vizepremier und Chef der Christdemokraten (KDU-CSL), Jiri Cunek, sorgt mit Äußerungen zur Roma-Minderheit in Tschechien wieder für Aufsehen. Laut der tschechischen Wochenzeitschrift "Tyden" soll er ein neues Konzept ausgearbeitet haben, das als Grundlage für die "Lösung der Probleme" mit der Roma-Minderheit dienen soll. Das Grundprinzip sei, die Roma-Familien nach ihrem sozialen Lebensstandard in drei Gruppen aufzuteilen. Jede Gruppe solle unterschiedlich behandelt werden, hieß es.

Die "problematischsten" Roma-Familien sollen laut Cunek in Baracken mit fester "Herrschaft" übersiedeln, in denen sie unter Aufsicht der Mitarbeiter von Sozialbehörden stehen sollen. "Man muss die Bedingungen so festlegen, dass sie die Roma zwingen, ihre eigene Bequemlichkeit zu überwinden", heißt es in dem Papier von Cunek.

"Roma-Ghettos"

In die erste Gruppe will Cunek jene Roma-Familien einbeziehen, die praktisch unabhängig von den Dienstleistungen der sozialen Behörden leben. In einer zweiten Kategorie möchte Cunek jene Roma sehen, die beispielsweise "Sozialleistungen missbrauchen". Das alles sollte dazu führen, dass die "Roma-Ghettos" aus den tschechischen Städten verschwinden.

Der Chef des Regierungsrates für Roma-Angelegenheiten und bekannte Roma-Aktivist, Ivan Vesely, kritisierte die Pläne des Vizepremiers. "Das ist alles nur Science Fiktion."

"Arzt, der Geschwür entfernt"

Cunek sorgte wegen seinen Aussagen zu den Roma bereits wiederholt für Schlagzeilen. Als Bürgermeister der mittelmährischen Stadt Vsetin (Wsetin) hatte er zahlreiche Roma- und Sinti-Familien zwangsweise in Container umsiedeln lassen, weil sie ihre Wohnungsmieten nicht bezahlt hatten. Cunek begründete seine Entscheidung mit den Worten, er sehe sich als "Arzt, der ein Geschwür entfernt".

Cunek erklärte weiters, dass man in Tschechien wie ein Roma aussehen müsse, um soziale Leistungen vom Staat zu erhalten. Auf einer Partei-Konferenz meinte Cunek, dass die "traditionelle Roma-Kultur und ihr Wertesystem in einer ganzen Reihe von Fällen im Widerspruch zu der Liste der grundlegenden Rechte und Freiheiten (Bestandteil der tschechischen Verfassung, Anm.)" stehe.

In Tschechien gibt es starke gegen die Roma-Minderheit gerichtete Vorurteile, die in verschiedensten Berichten von Menschenrechtsorganisationen wiederholt kritisiert wurden. Schätzungsweise sind etwa 300.000 der 10,3 Millionen Einwohner Tschechiens Roma.

Für Dienstag ist in Brüssel ein Gipfeltreffen der Europäischen Union geplant, bei dem die Situation der Roma innerhalb der EU diskutiert werden soll. (APA)