Foto: AP/Medichini

Alitalia-Protestversammlungen am römischen Flughafen gaben am Samstag einen Vorgeschmack darauf, welches Chaos gescheiterte Verhandlungen schon ab Montag auslösen könnten.

 

 

Hundert Millionen Euro mehr stellt der Präsident der neuen Alitalia (Compagnia Aerea Italiana), Roberto Colaninno, zur Verfügung, um doch noch einen Kompromiss mit den Gewerkschaften zu erreichen. Am Sonntag wurden die am Freitag abgebrochenen Verhandlungen zur Rettung der bankrotten Fluggesellschaft wieder aufgenommen. Regierungschef Silvio Berlusconi und Staatssekretär Gianni Letta haben zwischen den Gewerkschaften und der neuen Unternehmensführung vermittelt, um den totalen Zusammenbruch der Fluggesellschaft zu verhindern.

Der Beginn der entscheidenden Verhandlungsrunde wurde von 18 Uhr auf 19 Uhr verschoben. Beobachter rechnen mit einer Einigung in letzter Minute.

Treibstoff wird knapp

Inzwischen ließ Insolvenzverwalter Augusto Fantozzi wissen, dass der Treibstoff für Alitalia zu Ende geht. Der halbstaatliche Erdölmulti Eni habe sich geweigert, der hochverschuldeten Airline weiteren Sprit zu liefern. Ohne Einigung sei ein "Grounding" der Gesellschaft bereits ab Wochenbeginn möglich, drohte Fantozzi und setzte damit die Verhandlungspartner unter Druck. Zugleich kündigte der Insolvenzverwalter ab sofort Kurzarbeit für rund 1000 Alitalia-Beschäftigte an.

Dank der zusätzlichen Finanzspritze soll das Gehalt der Piloten nicht um die vorgesehenen 25, sondern nur mehr um 20 Prozent gekürzt werden. Auch werden die Pilotenverträge künftig jenen der Manager angeglichen. Der Sekretär der italienischen Pilotengewerkschaft Anpac, Fabio Berti, bezeichnete die neuen Bedingungen am Sonntag als günstige Ausgangsbasis für eine Einigung. Arbeitsminister Maurizio Sacconi zeigte sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss die Alitalia retten werde.

1000 Piloten weniger

Die neue Alitalia soll über 153 Flugzeuge verfügen und 1550 Piloten beschäftigen, tausend weniger als bisher. Laut Regierungskreisen sei die Lufthansa ein willkommener Partner, auch wenn die letzten Signale darauf hindeuten, dass Alitalia künftig weiterhin mit Air France kooperieren werde.

Offenbar geriet Regierungschef Silvio Berlusconi unter starken Zugzwang. Wären die Verhandlungen zwischen der neuen Alitalia mit den Gewerkschaften gescheitert, so wäre Berlusconis Wahlversprechen "Alitalia bleibt italienisch" leere Worte geblieben.

Die neue, von der Cai übernommene Airline, macht aus der einstigen italienischen Nationalfluglinie ein vorwiegend regionales Unternehmen. "Ein Betrug, der die Steuerzahler zur Kasse bittet" , kritisierte Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro von der Oppositionspartei Italia dei valori am Sonntag die "Sanierung" der Alitalia. (Thesy Kness-Bastaroliaus Mailand, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.9.2008)