Michaela Krauss - hier mit Hündin und "Markenzeichen" Althea - wurde mit 19 Jahren Direktorin der Schauspielschule.

Foto: dieStandard.at/Lechner

Die Geschäftsführerin hat nach der Übernahme vieles verändert - unter anderem wurde der Unterricht von Nachmittags- auf Ganztagsbetrieb umgestellt.

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Neben dem Erlernen des "klassischen Handwerks" sollen sich die SchülerInnen in vielen schauspielerischen Bereichen ausprobieren können.

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Am liebsten widmet sich Krauss der Umsetzung neuer kreativer Ideen: "Auch glückliche Schüler sind für mich ein Nährboden für Kreativität"

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Die Liebe zum Theater ist Schauspieldirektorin Michaela Krauss quasi in die Wiege gelegt: Großvater Helmut Krauss gründete die Schauspielschule 1948 im obersten Stockwerk eines Altbaus in der Wiener Innenstadt, später übernahm der Vater die Leitung. Seit 1990 steuert sie selbst das Geschick des traditionsreichen Familienbetriebs, der am 27. September 60-jähriges Jubiläum feierte und mit Namen wie Oskar Werner, Karl Heinz Böhm, Dolores Schmidinger, Karl Heinz Hackl, Ulrike Beimpold, Nina Blum oder Angelika Niedetzky verbunden ist.

"Theater hat mich immer interessiert, aber es wurde in der Familie gar nicht so in den Vordergrund gestellt", erzählt Michaela Krauss. "Meine Eltern waren beide Richter im Hauptberuf, der Großvater Arzt; die Schauspielschule haben sie nebenberuflich geführt. Das Einzige, was ich als Kind damit zu tun hatte, war, dass ich auf der Rückseite der alten Schul-Plakate die Blockbuchstaben gelernt habe." Mit 13, 14 Jahren wurde der Drang zur Schauspielerei größer: "Ich wollte Fechten lernen und mein Vater hat mich dazu in die eigene Schauspielschule geschickt. Da war ich überglücklich, das war meine Welt." Nach der Matura war dann klar: "Jetzt möchte ich richtig Schauspiel machen! Ich konnte mir einfach nichts anderes vorstellen. Den Eltern zuliebe habe ich zwar Theaterwissenschaft angefangen, aber interessiert hat mich das einen Schmarrn."

"Mach's doch selber!"

Schon während Schulzeit und Ausbildung machte Krauss dem Papa immer wieder Vorschläge, welche LehrerInnen man ins Team holen könnte, was man alles verändern, verbessern und erneuern könnte - "bis mein Vater schließlich sagte: "Weißt' was: Mach's doch selber!" So wurde Michaela Krauss 1990 mit erst 19 Jahren Geschäftsführerin: "Anfangs wurde ich von einigen Stellen nicht als erwachsen betrachtet und nicht ernst genommen - ich war nicht die Jungunternehmerin, sondern das 'süße Mädel'. Deshalb habe ich zu Beginn oft meinen Vater und die Männer im Team vorgeschoben, um für die Schule etwas zu erreichen. Ich habe mich auf den internen Aufbau und auf den künstlerischen Bereich konzentriert - darin liegt auch heute noch meine Stärke."

In den ersten Jahren spielte Michaela Krauss neben der Direktionsarbeit auch noch selbst Theater und drehte fürs Fernsehen. "Dabei stand ich, weil ich so jung war, mit meinen ehemaligen Schülern bei Castings und auf Bühne und Set - ein komisches Gefühl, vor allem wenn ich dann die Rolle bekommen habe und sie nicht. Deshalb musste ich mir irgendwann die Frage stellen, was jetzt vorgeht: 12 Schüler pro Jahrgang, die eine Schauspielkarriere machen möchten, oder meine eigene." Entschieden hat sich Krauss für ihre SchülerInnen: "Ich habe mehr Freude dabei, zu sehen, wie sich die anderen über ein Engagement freuen, aber dabei nie ausgeschlossen, irgendwann auch wieder selbst auf der Bühne zu stehen."

Veränderungen

Unter ihrer Leitung erfuhr die Schule einige bedeutende wirtschaftliche und strukturelle Veränderungen: "Unter meinem Großvater war es eine Abendschule, mein Vater führte sie als Nachmittagsbetrieb und ich habe den Ganztagsunterricht eingeführt und gleichzeitig das Lehrer-Team ausgetauscht und verjüngt. Die Umstellungen waren wichtig, weil der Theaterbetrieb ständig Neuerungen verlangt. Auch wenn wir als private Schule ohne Subventionen sehr gut haushalten müssen: Im Unterricht bieten wir beste Qualität, dabei wird nicht gespart."

Die Ausbildungsstätte ist mittlerweile die einzige staatlich anerkannte private Schauspielschule in Österreich. Während der dreijährigen Ausbildung legt Michaela Krauss besonderen Wert auf die Förderung der individuellen Persönlichkeit der SchülerInnen: "Sie sollen neben dem Erlernen des "klassischen Handwerks" die Möglichkeit bekommen, noch in der Schule alles auszuprobieren und ihre Stärken zu entdecken - ob Kabarett, Film, Theater, Video oder die Arbeit vor dem Mikrofon." Stolz ist sie auf die Zusammenarbeit ihres 20-köpfigen Teams: "Alle hier arbeiten mit viel Herz und Idealismus - jeder Einzelne ist bemüht, die Schüler weiterzubringen, auch wenn dafür nicht das große Geld winkt."

Zu wenige Rollen für Frauen

Gibt es bei den SchülerInnen einen Frauenüberschuss, "wo wir liebend gerne mehr Männer hätten", so besteht das Team überwiegend aus Männern, denn: "Schauspielen ist nach wie vor ein sehr männerdominierter Beruf, aber in den Beruf hinein wollen mehr Frauen. Es gibt aber viel weniger Rollen für Frauen als für Männer. Die Schauspielwelt beschränkt sich zwar nicht nur aufs Theater, aber wenn man sich als Schauspielerin auf Bühnenstücke spezialisieren möchte, so hat man einen Nachteil. Was wir bräuchten, sind mehr Autoren, die Stücke mit Frauenrollen schreiben!"

Staatliche Schauspielschulen sieht Krauss nicht als Konkurrenz: "Wir können uns gegenseitig ergänzen. Als private Schule haben wir zwar weniger Geld, aber dafür mehr Freiheiten. Wie gut ein Schüler ist, beweist sich beim Vorsprechen und in der Film- und Theaterwelt draußen, unabhängig davon, wo er seine Ausbildung gemacht hat."

Sprechen aus Leidenschaft

Neben ihrer Arbeit als Direktorin der Schule widmet sich Michaela Krauss beruflich ihrer zweiten Leidenschaft, dem Sprechen: "Ich liebe es, Lesungen sowie Literatur-Aufnahmen fürs Radio zu machen. Ein Gedicht zu lesen, das ist wie eine kleine Rolle zu verkörpern." Privat hat sie die Malerei für sich entdeckt; auch Gedichte schreiben zählt zu ihren Hobbys sowie "die Kunst in all ihren Facetten, egal ob Malerei, Gesang, Schauspiel oder Poesie."

Neue Ideen sammelt die Schauspieldirektorin in guten Gesprächen und neben ihrem Bett liegt der Laptop, um kreative Gedanken gleich festhalten zu können: "Auch glückliche Schüler sind für mich ein Nährboden für Kreativität. Ich würde mir nur wünschen, dass es manchmal finanziell leichter ginge, damit wir die vielen Ideen auch verwirklichen können."

Auftanken kann die Schauspieldirektorin in Gesellschaft ihres "zweiten Schattens", Schulhündin Althea, die ihr auf Schritt und Tritt folgt und zu so etwas wie ihrem "Markenzeichen" geworden ist, und bei ihrem Partner, US-Rockmusiker Bruce Boneau: "Männer mit Anzug kommen mir nämlich nicht ins Haus", lacht Krauss. "Ich bin unter Rechtsanwälten und Richtern im Talar aufgewachsen - Anzüge und Krawatten sind mir heute ein Gräuel." (isa/dieStandard.at, 24. September 2008)