Bild nicht mehr verfügbar.

Rudi Anschober, grüner Landesrat aus Oberösterreich, hofft noch auf die Unentschlossenen.

Reuters/Foeger

STANDARD: Herr Landesrat, aus Ihrer Erfahrung einer schwarz-grünen Koalition in Oberösterreich: Werden Sie Schwarz-Grün auch den Kollegen im Bund empfehlen?

Anschober: Ich bin über den bisherigen Wahlkampf von ÖVP und SPÖ entsetzt. Denn beide Bundesparteien der bisherigen großen Koalition blinken immer stärker rechts. Ich bin absolut überzeugt davon, dass nur ein starker grüner Wahlerfolg sie davon abhalten wird, nach dem 28. September scharf nach rechts abzubiegen.

STANDARD: Sie werden sie schwer aufhalten können.

Anschober: Wir haben derzeit 40 Prozent Unentschlossene, diese eineinhalb Millionen Wähler entscheiden darüber, ob Strache und der Rechtspopulismus der FPÖ in diesem Land etwas zu sagen haben wird. Das muss ja nicht unbedingt ein Vizekanzler Strache sein, das könnte auch die Duldung einer Minderheitsregierung von SP oder VP durch die FPÖ sein.

STANDARD: Von wem sprechen Sie? SPÖ oder ÖVP?

Anschober: Bei der SPÖ merke ich immer stärkere Signale Richtung FPÖ, Stichwort Wachteleier-Koalition. Bei der ÖVP bin ich wirklich entsetzt über das rechtspopulistische inhaltliche Wahlprogramm.

STANDARD: Was stört Sie daran?

Anschober: Da muss man sich nur den "Neustart" der ÖVP anschauen, der ein "Fehlstart" ist. In diesem Programm gibt es ein Wort zum Thema Umweltschutz, zwei- mal das Wort Klimaschutz. Das ist für eine Partei, die seit ewigen Zeiten den Umweltminister stellt, eine Schande. Die Zukunfts- und Existenzfragen sind für die Volkspartei kein Thema mehr. Und gleichzeitig werden in diesem Wahlprogramm seitenweise Kriminalität, Law and Order und Migration als Gefahr und Bedrohung abgehandelt. Da findet sich kein Wort, dass Migration auch eine Chance und eine Bereicherung sein könnte.

STANDARD: Wenn Sie das so stört: Was sagen Sie dann Ihrem Koalitionspartner in der Landesregierung, dem schwarzen Landeshauptmann Pühringer?

Anschober: Ich habe das Wahlprogramm der ÖVP jetzt seit einigen Tagen vorliegen. Ich hatte noch keine Möglichkeit, in Oberösterreich den Dialog zu führen. Es ist aber eine ganz klare Positionierung, und ich gehe davon aus, dass die Landes-VP in Oberösterreich eine andere Positionierung lebt.

STANDARD: Lässt sich die Frage "Lieber mit der SPÖ oder lieber mit der ÖVP" überhaupt beantworten, oder erscheint Ihnen beides gleich furchtbar?

Anschober: Ich glaube beiden die Ansage "Wir wollen nicht mit Strache gehen" keine Sekunde lang. Das tut doch niemand im Land. Es wird stark vom Grünen-Wahl-ergebnis abhängen, ob der Kurs nach rechts geht, entscheidend wird sein, ob das aktuelle Blinken nach rechts Wahltaktik ist oder ob es tatsächlich die inhaltliche Überzeugung dieser beiden Parteien ist.

STANDARD: Jetzt liegen in allen Umfragen, über die man natürlich streiten kann, die Freiheitlichen deutlich vor den Grünen. Das Rennen um Platz drei scheint längst entschieden. Was machen die Grünen falsch, was machen die Freiheit-lichen um so viel besser?

Anschober: Ich bin überzeugt davon, der Wahlkampf geht erst so richtig los. Wenn 40 Prozent sagen, ich weiß nicht, wen ich wählen soll, dann sind Umfragen im Augenblick natürlich Kaffeesudleserei. Nach meiner Sicht wird dieser Wahlkampf in den letzten zwei Wochen, wahrscheinlich erst in den letzten drei, vier Tagen entschieden werden. Darum wird es jetzt gehen: Dass wir Grüne ganz stark auf diese Unentschlossenen zugehen und ihnen konkrete Angebote machen. Wir müssen darstellen, dass es nicht wie bei einem Pferderennen darum geht, wer Dritter wird, sondern dass es darum geht, in welche Richtung sich diese Republik in den nächsten fünf Jahren entwickelt. Das entscheiden jetzt die Unentschlossenen. Da ist alles noch möglich und alles noch drinnen.

STANDARD: Wie sind Sie mit der bisherigen Kampagne der Grünen zufrieden? Hätten sie vielleicht noch mehr militante Tierschützer auf die Liste nehmen sollen?

Anschober: Zur Tierschutzfrage: Ich verstehe die Verunsicherung mancher, aber die Verwendung des Mafiaparagrafen ist unerträglich, das muss von einer Menschenrechtspartei thematisiert werden.

STANDARD: Wie können sich die Grünen zu den Liberalen abgrenzen?

Anschober: Wir müssen darstellen, dass es beim LIF zwar einige sympathische inhaltliche Bereiche gibt, die sich in Teilen der Gesellschaftspolitik mit uns decken, dass es aber in Kernfragen wie der Wirtschafts- und Privatisierungspolitik und der Globalisierungsfragen diametrale Gegensätze gibt. Das LIF fordert eine Totalprivatisierung der Energiewirtschaft. Damit würden wir ganz zentrale soziale und ökologische Steuerinstrumente aus der Hand geben. Das gehört sichtbar gemacht - in einer korrekten politischen Kultur. Und jeder Unentschlossene muss für sich entscheiden, ob er das Risiko eingeht, dass die Stimme am 28. September dann verloren ist und in dieser Auseinandersetzung zwischen Grün und Blau fehlt. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2008)