Kaum ein Thema hat das Internet über die letzten Jahre so sehr geprägt, wie das der "Sozialen Netzwerke". Was manche als einen einzigen Datenschutzalbtraum kritisch beleuchten, ist für viele längst zu einem zentralen Bestandteil ihres Alltags avanciert. Durch die Preisgabe von einzelnen Informationen aus unserem Privatbereich entstehen stetig neue Netzwerke, die sich im besten Fall zu recht spezifischen weltweiten Interessensgruppen auswachsen.

Auswahl

Oft soll dabei das Wissen der Masse dazu beitragen, dass wir uns im Datenwust der Informationsgesellschaft besser zu recht finden, es uns leichter machen, das für uns tatsächlich Relevante herauszufiltern. Wenn wer anderer 90 Prozent meiner Musikvorlieben mit mir teilt, so könnten die restlichen 10 Prozent für mich ziemlich interessant sein - so die simple Rechnung. Andere Services hingegen wollen "nur" neue Wege der Kommunikation finden, besser Möglichkeiten zur sozialen Interaktion, jenseits der Beschränkungen von E-Mail und Co.

Auswahl

Im Folgenden sollen einige dieser Services vorgestellt werden. Dabei soll jedoch keineswegs eine Art "Best-of" entstehen, ganz im Mittelpunkt sollen vielmehr die interessantesten Neuzugänge der letzten Monate stehen.

Ausblenden

Also nicht wundern, wenn Twitter, Facebook und Co. nicht erwähnt werden, diese werden ohnehin laufend ausreichend gewürdigt. Das heißt natürlich auch, dass der Erfolg der vorgestellten Plattformen noch recht unsicher ist, so manche wird wohl wieder in der Versenkung verschwinden, andere durch eine bessere Re-Implementation obsolet gemacht werden. Interessante Experimente sind sie aber allemal.

Screenshot: Andreas Proschofsky
Presdo

Mit Eric Ly steckt einer der Gründer des Job-Netzwerks LinkedIn hinter Presdo, eine gewisse Grundaufmerksamkeit ist dem Service also wohl alleine schon ob dieses Umstands sicher. Doch das Online-Tool kann auch so mit einigen interessanten Ansätzen aufwarten.

Terminplanung

Die Grundidee ist denkbar simpel, Presdo soll die Verabredung von Terminen möglichst einfach machen. Der Clou steckt dabei in der Umsetzung: Denn das Service versucht natürliche Sprache in konkrete Fakten umzusetzen. So bildet auch ein simples Texteingabefeld den Beginn jeder Verabredung, was die Software dann doch noch nicht versteht - etwa weil sie es noch nicht kennt - kann nachträglich eingefügt werden.

Aufspüren

Entsprechend kann dann ein Ort über eine Google Maps-Suche aufgespürt werden oder ein Termin präzisiert werden. Presdo lernt dabei mit der Zeit, verbindet dann also etwa automatisch Namen mit Mail-Adressen. Die entsprechenden Einladungen werden anschließend per Mail verschickt werden, das Gegenüber muss also keinen Account bei Presdo haben, kann aber über einen simplen Link bestätigen oder Anmerkungen / Präzisierungen vornehmen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Außerdem lassen sich die Abmachungen dann direkt in den eigenen Kalender eintragen, unterstützt werden dafür unter anderem Google Calendar, Outlook, iCal oder auch der Yahoo Calendar. Um die Benutzung möglichst zu vereinfachen, gibt es ein spezielles Bookmark, über das Verabredungen direkt über den Bookmark Bar eines Browsers initiiert werden können.

Sprache

Die größte Einschränkung ist derzeit wohl noch die Beschränkung auf die englische Sprache, wer damit kein Problem hat, für den könnte ein Blick auf Presdo aber durchaus lohnend sein.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Obwohl Twitter noch relativ neu ist, gehört das Microblogging-Service bereits zu den Fixsternen im Bereich der Online-Service. Die Beschränkung auf maximal 140 Zeichen sollte ursprünglich eigentlich dazu genutzt werden, um den jeweiligen Freundeskreis über die eigenen Aktivitäten auf dem Laufenden zu halten, mittlerweile hat sich aber bereits eine eigene Kultur rund um diese Form der Ausdrucksreduktion gebildet. Von kurzen Lebensweisheiten bis zu spannenden Code-Einzeilern reicht die Palette dessen, was auf Twitter nachgelesen werden kann.

Technische Probleme

Doch ein Problem hat das Service von Anfang an begleitet: Der eigene Erfolg überraschte die BetreiberInnen, der Ansturm brachte die Server immer wieder zum Erliegen. Ein Problem, das so manche Anpassung bei der Software von Twitter nach sich zog, zum Teil aber auch auf dessen zentralisierte Struktur zurückzuführen ist.

Offen

An diesem Punkt greift identi.ca an: Das Service ist weitestegehend mit Twitter ident, auch hier lassen sich die Nachrichten der eigenen FreundInnen verfolgen und auf diese antworten, auch hier gibt es Tags. Wirklich spannend wird identi.ca durch einen anderen Umstand: Die dahinter stehende Software unterliegt der GNU Affero General Public License, ist also Open Source und kann beliebig weiterverwendet und angepasst werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

So ist es dann relativ einfach möglich das Service zu dezentralisieren bzw. eigene angepasste Versionen zu veröffentlichen. Doch die Offenheit geht noch weiter: Alle auf dem Service geposteten Beiträge werden automatisch unter eine Creative Commons-Lizenz gestellt, das eingesetzte Protokoll ist als OpenMicroBlogging Protocol offen spezifiziert.

Pläne

Für die Zukunft hat man bei identi.ca noch einige Pläne, allen voran SMS-Unterstützung, etwas das derzeit im Vergleich zu Twitter noch schmerzlich abgeht. Auch Cross-Postings mit anderen Microblogging-Services sollen künftig möglich sein.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Bleiben wir gleich im Bereich Microblogging: Während man bei Twitter nach eigenen Angaben noch nicht einmal richtig nach einem dauerhaften Geschäftsmodell sucht, meint man dieses bei Yammer bereits ausgemacht zu haben. Das Service ist eine Art Twitter für Firmennetzwerke.

Arbeit

Entsprechend lautet die alles bestimmende Frage bei Yammer also auch nicht "What are you doing?" sondern "What are you working on?". Die Antworten auf diese Frage bleiben dann freilich intern, mitlesen und -diskutieren dürfen prinzipiell nur jene, die eine Mail-Adresse vom gleichen Unternehmen haben.

Vergleiche

Ansonsten ähnelt das Ganze in weiten Teilen Twitter,  hier können also die Updates jener verfolgt werden, mit denen man zusammenarbeitet. Auch eine Einteilung in Topics und die Nachverfolgung von Diskussionssträngen ist möglich.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neben der Web-Oberfläche kann auf Yammer auch über einen Desktop-Client zugegriffen werden. Zusätzlich ist es möglich sich per iPhone und Blackberry auf dem aktuellen zu halten und neue Updates zu posten.

Umsetzung

Die Nutzung von Yammer ist kostenlos, zahlen müssen allerdings Unternehmen, die die administrativen Tools zur Verwaltung des Services nutzen wollen. Also etwa um BenutzerInnen zu entfernen oder Policies zu definieren, etwas das für den gezielten Einsatz wohl unumgänglich sein wird.

Screenshot: Andreas Proschofsky

In eine ganz andere Richtung geht der "GoodGuide": Das Webservice will über die wahren Hintergründe von einzelnen Produkten informieren, und so eine Art Community für bewusstes Konsumverhalten schaffen.

Einschätzung

Dabei werden die Produkte nach verschiedenen Kriterien durchleuchtet und klassifiziert. Zu diesen zählen diverse Gesundheitsfaktoren, also etwa die Frage welche Chemikalien in Baby-Shampoos zu finden sind. Dies nicht nur in Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die KundInnen sondern auch unter dem Aspekt des Umweltschutz. Ebenfalls in die Bewertung fließt das "soziale Verhalten" ein, also wie ein einzelnes Unternehmen produzieren lässt, oder wie es mit den eigenen MitarbeiterInnen umgeht.

Infos

Die entsprechenden Informationen bezieht man dabei nicht ausschließlich aus der Community, der "GoodGuide" verweist auf eine Reihe von wissenschaftlichen BeraterInnen, die unter anderem für die Klassifizierung einzelner Chemikalien zuständig sind.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auch ein österreichisches Startup befindet sich unter den Hoffnungsträgern der Branche: Tripwolf möchte das optimale soziale Netzwerk rund um das Thema Reisen liefern.

Möglichkeiten

Neben den Klassikern wie Fotos oder Reiseberichte zu einzelnen Orten, gibt es Empfehlung zu Sehenswürdigkeiten, die Möglichkeit ein Blog zu schreiben und sich Tipps von FreundInnen oder ExpertInnen geben zu lassen.

Guide

Wirklich interessant wird es aber dadurch, dass man sich anschließend aus all diesen Informationen und der eigenen Reiseroute einen personalisierten Travel Guide - als PDF - erstellen lassen kann. Später soll es einmal auch möglch sein, direkt von der Seite Reisen zu buchen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

All die sozialen Netzwerke bringen natürlich nicht nur Vorteile mit sich, immer wieder kommt es dabei zu kleineren oder größeren Auseinandersetzungen. Eine Art Schlichtungsstelle für solche Konflikt will "AllRise" sein.

Argumentation

Jeder kann hier eigene Beschwerden und Anklagen gegen eine andere Person vorbringen. In Folge haben beide Seiten die Möglichkeit ihre Argumente ausführlich vorzubringen, die Community entscheidet anschließend ganz demokratisch über den Ausgang des Verfahrens.

Integration

Dabei soll sich AllRise auch über ein eigenes Widget in andere Seiten einbauen lassen, also etwa wenn wieder mal eine Diskussion im Kommentarbereich aus dem Ruder läuft. Ob das Ganze funktioniert und sich dann auch beide Seiten an den Gerichtsspruch halten, bleibt freilich noch abzuwarten, trotzdem ein interessanter Versuch, und vielleicht eine Möglichkeit nicht gleich zu einem realen Verfahren zu greifen.

Test

Derzeit ist das Ganze allerdings noch nicht öffentlich zugänglich, das Service befindet sich im Test, eine Einladung ist zur Nutzung notwendig.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit der Vielzahl an Services, die mittlerweile im Internet nach Beteiligung schreien, stellt sich auch eine grundlegenden Problematik: In der Realität befinden sich nie alle der eigenen FreundInnen im selben sozialen Netz, wie also alle gleichzeitig auf dem Laufenden halten, ohne im administrativen Aufwand des Mehrfach-Postens unterzugehen?

Multiplikator

Eine Problemstellung, bei der Ping.fm Abhilfe bieten will: Das Service dient einzig dazu die eigenen Messages an unterschiedlichste Plattformen weiterzuleiten. Entsprechend vielfältig liest sich die Liste der möglichen Adressaten.

Liste

Neben zahlreichen Instant Messagern gehören dazu - unter anderem Facebook, MySpace und Twitter. Auch FriendFeed, Bebo und Blogger dürfen hier natürlich nicht fehlen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Genau die umgekehrte Aufgabe übernimmt Whoisi: Das von Mozilla-Entwickler Christopher Blizzard in seiner Freizeit entwickelte Service dient dazu, die verschiedenen losen Feeds einzelner Personen zentral zusammenzuführen.

Offen

Dabei ist das Service denkbar offen, jeder kann einzelne Feeds anderen Personen zuordnen und somit bei der Organisation der Informationsvielfalt helfen. Auch müssen so die Betroffenen nicht selbst ihre Daten auf "noch einem Service" eintragen, eine History soll künftig gegen mögliche Falschinformationen und Vandalismus helfen.

Abo

Die so entstehenden Personen-Feeds können dann gezielt abonniert und nachverfolgt werden. Eine Sammlung aus der sich dann wieder ein gemeinsamer Informations-Stream der für einen selbst relevanten Personen entwickelt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Aus den Abo-Informationen kann Whoisi wiederum angepasste Vorschläge unterbreiten, die Aktivitäten welcher Personen noch für einen selbst von Interesse sein könnten. Über Tags ist es auch möglich Personen zu einzelnen Events hinzuzufügen, um so dann etwa eine umfassende Berichterstattung über eine Konferenz zu erhalten.

Einstellung

Ein Novum von Whoisi ist der Umstand, dass zur Benutzung des Services kein Anlegen eines Accounts nötig ist, viel mehr merkt sich die Seite über die Cookies die vorgenommenen Einstellungen. Dies würde das Ganze natürlich auf einen Rechner beschränken, also ist es auch möglich über eine privaten Link wieder auf die personalisierte Whoisi-Version zu kommen.

Extern

An externen Services unterstützt Whoisi so ziemlich alles, was einen RSS-Feeds hat, im Speziellen aber auch Flickr, Picasa, Twitter und natürlich Weblogs. Der Entwickler sieht in der Plattform vor allem auch ein soziales Experiment zur Organisierung der Informationsvielfalt, entsprechend wichtig auch die Wiki-mäßige Offenheit der gesammelten Informationen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wer hat schon wirklich die Zeit all die ausführlichen Produkt-Besprechungen auf Seiten wie Amazon zu lesen? Da wünscht man sich oft eine kurze Zusammenfassung, die die Meinung der TesterInnen auf das Essentielle herunterbricht.

Reduziert

Eine Beobachtung, die man auch bei blippr teilt: Das Service will von der Reduktion der Form bei Twitter lernen und so mit "Micro-Reviews" weiterhelfen. Ein bisschen großzügiger gibt man sich dann doch, immerhin 160 Zeichen dürfen es sein. Das finale Verdikt beschränkt man dann in bester Internet-Tradition auf vier Smilies und zwar:  =D, =), =|, oder =(

Sozial

Zusätzlich nutzt man aber auch hier die sozialen Beziehungen zwischen den einzelnen NutzerInnen, wer will, kann sich auf die Bewertungen und Empfehlungen der eigenen FreundInnen konzentrieren, und durchforsten, welche Titel diese gerade spannend finden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein Bereich, der auf verschiedensten Ebenen immer stärkerer Beachtung findet, ist der des gemeinsamen Arbeitens an Dokumenten. Etwas das künftig Textflow deutlich vereinfachen soll.

Zusammenführung

Das Web-Service erzeugt zu diesem Zweck aus verschiedenen Versionen eines Ausgangsdokuments ein nett aufbearbeitete gemeinsame Ansicht. In dieser können schnell einzelne Vorschläge übernommen, aber auch verworfen oder angepasst werden. Höhepunkt ist dabei wohl die grafische Umsetzung per Flash, die auch in einem Einführungsvideo auf der Webseite demonstriert wird.

Gemeinsam

Aber natürlich ist auch das wirklich gemeinsame Arbeiten möglich, wobei Änderungen der anderen an dem Dokument arbeitenden Personen umgehend eingeblendet werden. Derzeit befindet sich das Ganze noch in der geschlossenen Testphase, im Oktober soll es dann eine Beta geben, der im Jänner der offizielle Launch folgen soll.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zum Abschluss noch einmal zur Beschränkung auf das Wesentliche: Eine Art Twitter für Videos will 12seconds sein. Wie der Name schon sagt, dürfen die hier heraufgeladenen Clips also maximal 12 Sekunden lang sein.

Kreativität

Eine Begrenzung aus der man sich besonders kreative Umsetzungen erhofft. Immerhin muss man sich schon etwas einfallen lassen, um in so kurzer Zeit einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Status

Natürlich kann das Service aber auch "nur" dazu genutzt werden, laufend kurze bildliche Status-Updats zu liefern. Entsprechend lassen sich neue Videos über Mobiltelefon auf 12seconds hochladen und automatisch auf Twitter verkünden. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 12.09.2008)

Screenshot: Andreas Proschofsky