Von 26. bis 28. September wird Singapur's Wahrzeichen, dem Merlion, wohl nicht die Spucke wegbleiben: Der Formel-1-Zirkus gibt sein erstes Gastspiel im glamourösen Stadt-Staat an der Südspitze Malaysias. Zur Freude des europäischen TV-Publikums wird erstmals in der Geschichte der Formel 1 bei Dunkelheit telegen trainiert und renngefahren. Rennstart ist um 20 Uhr Ortszeit, also umgerechnet zum üblichen Sonntag Nachmittags-Kaffee in Europa.

Fotos: Christoph Rieger

Das mit der Dunkelheit ist freilich relativ - in den vergangenen Monaten wurden Kilometerweise Lichttrassen verlegt, um für Fahrer und Zuseher die Nacht zum Tag zu machen. Mit knapp 1.500 Beleuchtungskörpern, die aus 10 Metern Höhe in Summe über 3 Millionen Watt auf den Asphalt brennen werden, erspart man den Ingenieuren, aerodynamische Scheinwerfer für ihre Boliden zu entwickeln. Was auf...

Fotos: Christoph Rieger

...dem kleinen Bild wie ein UFO-Landung aus den X-Files aussieht, zeigt, was nur 16 dieser Scheinwerfer bei einem 1-wöchigen Beleuchtungstest im Frühjahr anrichten konnten. Im Schnitt wird die gesamte fünf Kilometer lange Strecke mit 3000 Lux ausgeleuchtet - vier mal heller als ein herkömmliches Fussballstadion. Davon kann der Busfahrer, der allabentlich die St. Andrew's Road hochfährt, natürlich nur träumen. Aber schliesslich fährt er dort auch nicht an die 300 km/h, wie das Hamilton & Co beabsichtigen. Ungeduldige, die die Strecke schon vor dem Event erkunden wollen, sind nicht unbedingt auf den Autobus angewiesen. Bei Toro Rosso etwa kann man gemeinsam mit Sebastian Vettel eine recht flotte in 3D animierte Runde drehen.

Fotos: Christoph Rieger

Der Streckenverlauf ist eine recht flüssige Mischung aus drei ultraschnellen Geraden, vielen 90°-Kurven und ein paar brutaleren Richtungswechseln. In Summe ergibt das 26 Kurven gegen den Uhrzeiger. Der Grossteil davon selbstverständlich auf öffentlichen, in der Regel mehrspurigen Strassen. In der Gegend rund um den Start- und Zielbereich wurde aber noch bis in den September hinein eine frische Strecke samt Anlagen gebaut. Bauen ist überhaupt eine Leidenschaft der mehrheitlich chinesischen Bevölkerung - ganze Stadtteile werden hier (wie eben auch die "Marina Bay"-Gegend) laufend hochgezogen, zum Teil auf künstlich angeschüttetem Land.

Fotos: Christoph Rieger

Auch die Tribünen waren Ende August noch eher im Rohbau, hier etwa gegenüber Raffles Link, wo zwei Kurven übrigens fast aneinanderstossen. Wer hier im Vorbeifahren einen Mitbewerber in der Kurve gegenüber erspäht, der muss allerdings wissen, dass er entweder eine halbe Runde Vorsprung oder Rückstand auf diesen hat. Schlimm wird es aber erst, wenn einer der Piloten während des Rennens ...

Fotos: Christoph Rieger

.... per Taxi vom Parkplatz des berühmten Raffles-Hotels zurück an die Boxenstrasse muss. Das hieße nämlich, dass er am Ende des langen und breiten Raffles Boulevard, an dem Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h prognostiziert werden, falsch abgebogen ist. Das Traditionshotel liegt nämlich ein paar Gehminuten abseits der Strecke. Für Jochen Rindt wäre dieser Grand Prix auf jeden Fall nicht lustig gewesen, Rauchen kostet in dieser Stadt nämlich umgerechnet ca. 500 Euro. Singapur ist ja weltberühmt für ausuferndes Regelwerk, gegen das sich das FIA-Handbuch vermutlich wie ein kleines Heft mit ein paar Anregungen ausmacht.

Fotos: Christoph Rieger

Nicht alle Regeln gelten freilich am Rennwochenende. Denn die St. Andrews Road wird zum Beispiel in falscher Richtung befahren. Man bremst hier nach der City Hall und fährt um den Cricket Club herum. Der offensichtliche Notausgang links im Bild ist (anders als in Spa) keine Option für Überholmanöver, er führt nämlich nicht zurück an die Strecke, sondern ins Museum. Tückischer und ohne Notausgang ist ...

Fotos: Christoph Rieger

... die nur 10 Meter breite, hundert Jahre alte Anderson Bridge. Die weiss bemalte Brücke, nach einem ehemaligen Gouverneur der vormals britischen Kronkolonie benannt, bietet eine ebenso elegante wie unzeitgemässe Möglichkeit, den Singapore River mit einem Rennwagen zu überqueren. Danach gehts direkt am kolonialen Fullerton Hotel vorbei auf den mit Blumen gesäumten Esplanade Drive. Keine Entspannung ...

Fotos: Christoph Rieger

... und wohl auch keine Überholmöglichkeit bietet diese äusserst bösartige Haarnadel vor dem Fullerton, die links herum auf den schnellen Esplanade-Drive, der in Wahrheit eine lange Brücke ist, führt. Wer hier nicht sauber rausbeschleunigt, verliert gleich mehrere Zehntel ... und am Ende der langen Geraden durchaus auch die eine oder andere Position.

Fotos: Christoph Rieger

Wie schnell und imposant diese Brücke ist, die die Bankentürme des Financial District mit dem Marina Bay-Viertel verbindet, sieht man am besten vom Wasser aus. Auf der anderen Seite des Wassers geht die Runde hinter der beleuchteten Stinkfrucht (Durian, aka "Esplanade Theaters on the Bay") weiter auf die Raffles Avenue (hatten wir den Namen Raffles schon?), und danach durch eine große ...

Fotos: Christoph Rieger

... Tribüne, also gewissermassen unter den Füßen der Zuschauer durch. Nach ein paar weiteren Schikanen rund um den Singapore Flyer, die lokale Variante des Riesenrads, kommt man dann wieder auf Start und Ziel zurück. Das ganze wird 61 mal wiederholt, und am Ende wird es aller Wahrscheinlichkeit nach einen Engländer, Brasilianer oder gar einen Finnen geben, dem Singapur besonders gefallen haben wird.

Oder es kommt aber auch alles ganz anders ...

(Fotos & Text: Dr: Christoph Rieger, siehe auch www.christophrieger.com)

 

Fotos: Christoph Rieger