Wien - Um das Interesse der Schüler an Naturwissenschaften in der Schule zu wecken, geht für die Wiener Mathematikerin und Physikerin Hannelore Sexl (69) kein Weg daran vorbei, die Wissenschaftsgeschichte in den Unterricht einzubauen. Während Projekte wie "Forschung macht Schule" oder "Sparkling Science" erst seit kurzem Schüler für Forschung begeistern sollen, entwickelt die u.a. am Kernforschungszentrum CERN und bei der NASA tätige Forscherin bereits seit über 16 Jahren Schulprojekte zur spannenden Wissenschaftsvermittlung.

Positive Erfahrungen aus der Vergangenheit

Entscheidend sei dafür auch eine bessere Lehrerausbildung, so die Konsulentin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) anlässlich der derzeitigen ÖAW-Konferenz "Stile wissenschaftlichen Denkens" in Wien. "Für mich sind die Naturwissenschaften ein Teil der Kultur", sagte Sexl. Fächerübergreifender Unterricht, aktive Einbindung der Schüler und kreative Ansätze sind die zentralen Prinzipien, die Sexl fürs Klassenzimmer fordert. So könne etwa das Interesse der Schüler, insbesondere der Mädchen, auch schnell einmal gewonnen werden, indem Briefe von Marie Curie oder Lise Meitner gelesen werden. "Schüler für Naturwissenschaften zu begeistern, ist nicht schwierig", verweist Sexl auf ihre Erfahrung.

Vielmehr sei die Ausbildung der Lehrkräfte zu verbessern. So solle ihnen nicht nur Wissen vermittelt werden, sondern etwa auch Material, um den Unterricht in der Schule spannender zu gestalten. Die Lehrer seien "wie in der Schweiz" sowohl finanziell als auch im gesellschaftlichen Ansehen höher zu stellen. Ein fächerübergreifender Ansatz und die Vermittlung der Naturwissenschaften im Kontext von Kultur und Geschichte seien weiters notwendig.

"Man muss sich bei den Schülern immer wieder etwas ausdenken, womit man sie fängt."

Sexl selbst hat bei ihren Schulkursen immer versucht, "jede physikalische Theorie in ihren kulturellen Kontext zu stellen". So etwa bei den Auswirkungen von Newtons "Principia" (1687 veröffentlicht) in Frankreich, England und Italien. "Vor dem Hintergrund der Aufklärung schaut das völlig anders aus", so Sexl. Wie die Engländer und die Franzosen damit umgegangen sind, seien zwei "vollkommen verschiedene kulturelle Zugänge" gewesen. "Die Franzosen sind Mathematiker und die Engländer sind Praktiker." Beide Zugänge seien notwendig: "Die Engländer haben wunderbare Fernrohre gebaut und in den Kosmos geschaut und die Franzosen haben es halt ausgerechnet."

Sexl verweist zudem auf die Bedeutung von Bildern im Rahmen der Wissensvermittlung. Etwa "Bilder von den jungen Sternen im Pferdekopfhimmel" oder von Proben vom Mars, die sie selbst von der NASA beschaffte und ihre Schüler begeisterten. Denn sie waren noch nicht im Internet verfügbar und wurden den Schülern quasi "exklusiv" präsentiert. "Man muss sich bei den Schülern immer wieder etwas ausdenken, womit man sie fängt."

Für die Akademie entwickelte Sexl, Mitglied der ÖAW-Kommission für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Medizin, mehrere Schulprojekte: zur Geschichte der Radioaktivität und Kernphysik, zum Mikrokosmos und Makrokosmos und dem Entstehen eines Weltbildes im 17. und 18. Jahrhundert sowie zur Auswirkung der Naturwissenschaften in Literatur, Malerei und Architektur. Seit 1990 besteht die Zusammenarbeit der Kommission und AHS. Die Projekte können in den Schulunterricht eingebaut werden oder im Rahmen von Einzelvorträgen den Unterricht ergänzen.

"Schüler wollen den Mensch sehen"

"Es hat sich herausgestellt, dass die Schüler völlig andere Interessen haben als die Lehrer", so Sexl. Die Schüler hätten ein "unglaubliches Interesse an Biografien, die Schüler wollen den Mensch sehen". Die Lehrer hingegen interessierten sich primär für Experimente und den wissenschaftlichen Hintergrund.

Der Bedeutung der Wissenschaftsgeschichte für den Bildungssektor ist auch ein zentrales Thema bei der internationalen Konferenz der ÖAW "Stile wissenschaftlichen Denkens", die noch bis zum Freitag (12. September) in Wien stattfindet. Die internationalen Experten gehen weiters u.a. Fragen nach, welche Einflüsse - philosophische oder kulturelle, religiöse oder politische - zu den verschiedenen Stilen im wissenschaftlichen denken geführt haben und wie sie die weitere Entwicklung von Wissenschaft und Technologie beeinflussen. Die von der ÖAW organisierte dritte Konferenz der "European Society for the History of Science" hinterfragt zudem, wie sich die Traditionen des Denkens über Generationen weiterentwickelt und verändert haben und welche Faktoren das wissenschaftliche Denken in Zukunft beeinflussen. Zu den Teilnehmern zählen u.a. der französische Neurowissenschater Claude Debru, die niederländische Mathematikerin Ida H. Stamhuis und der britische Umweltwissenschafter Peter Brimblecombe. (APA)