Die Umfragen scheinen es zu belegen: Sarah Palin hat tatsächlich eingeschlagen. Mit der für viele Europäer so bizarr anmutenden Nominierung der Gouverneurin von Alaska zu seiner Vizepräsidentschaftskandidatin hat John McCain einen Punkt im US-Wahlkampf gemacht. Mögen die Umfragewerte auch noch unverlässlich und von begrenztem Aussagewert sein, sie legen doch nahe: Der Republikaner holt auf, mit dem Republikaner ist in der Tat noch zu rechnen.

Die Frage nun ist, wie lange denn dieser "Palin-Effekt" anhalten kann. Die schneidige Kandidatin wird in dieser Woche beginnen, erste Interviews zu geben. Als erste große Fernsehstation ist ABC News mit seinem Anchorman Charlie Gibson dran. Für Palin heißt das, dass es keine hilfreichen Teleprompter mehr geben wird, dann muss sie mehr können, als Details über internationale Zusammenhänge abzulesen. Die Chancen, dass sie sich irgendwo in der Außenpolitik verheddern könnte, sind dabei relativ hoch.

Das US-Publikum, das Palin noch immer kaum kennt, wird auch die Chance bekommen, zu sehen, ob die Republikanerin tatsächlich so tough ist, wie sie gerne gezeichnet wird. Und sie wird auch diverse Unstimmigkeiten erklären müssen, die in ihrer politischen Biografie auftauchen - Stichwort Alaskas Unabhängigkeit oder ihre Aufträge an Lobbyingfirmen in Washington, die ihrem Reformeranspruch deutlich widersprechen.

Hält Palin das ohne Schnitzer durch, kann sie der "game changer" sein, den McCain gesucht hat. Versagt sie, ist ihr politischer Ziehvater weg vom Fenster. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 9.9.2008)