Wien - Angesichts des Tauziehens um das Inflationspaket hängen zahlreiche Postenbesetzungen in der ÖBB am seidenen Faden. ÖBB-Aufsichtsratsmitglieder sehen die am 23. September anberaumte Aufsichtsratssitzung der ÖBB-Holding bereits akut gefährdet, weil Proporz-Vorstandsbesetzungen vor der Wahl dem Wahlkampf eher nicht zuträglich sind.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sitzung am 23. abgesagt wird, sei deutlich größer als jene, dass sie stattfindet, heißt es auch in hohen ÖBB-Kreisen. Das kommt nicht überraschend, geht es doch um die Besetzung von Schlüsselstellen in der Staatsbahn. Dem Vernehmen nach wollen die Parteichefs der Koalitionsparteien, Verkehrsminister Werner Faymann und Vizekanzler Wilhelm Molterer, noch einen finalen Anlauf nehmen, um den Posten des ÖBB-Holding-Finanzchefs doch noch vor dem Interregnum (zwischen Nationalratswahl und Regierungsbildung) zu besetzen.

Eine Einigung käme ÖBB-Chef Peter Klugar wohl gelegen, denn der bisherige, für die (Buch-)Verluste produzierenden Spekulationsgeschäfte mitverantwortliche Erich Söllinger muss seinen Sessel am 31. Oktober räumen. Für das Sanierungs- und Sparpaket, das die Eisenbahner dringend schnüren müssen, sei ein Finanzer unerlässlich, heißt es in der Bahn. In einigen Bereichen, etwa in der ÖBB-Infrastruktur-Betrieb-AG, steht aufgrund technischer Neuerungen Personalabbau ins Haus.

Dass ÖGB-Finanzchef Clemens Schneider den Sprung in die ÖBB-Holding schafft, gilt als eher unwahrscheinlich, denn dann wäre die Holding ausschließlich mit "Roten" besetzt. In ÖVP-Kreisen stellt man sich stur und hält unverändert an einem CVler fest, der allerdings erst ab Jänner 2009 verfügbar sei. In ÖBB-Aufsichtsratskreisen hält man wiederum einen Abtausch zwischen den Noch-Koalitionären für möglich. Der sähe so aus: Die ÖVP verzichtet auf den wichtigsten operativen Finanzchef, den in der ÖBB-Infrastruktur Bau AG, und darf dafür den Söllinger-Nachfolger in der Holding aus ihren Reihen besetzen.

Dort wäre möglich, was in eingefleischten SPÖ-Kreisen als politisch unmöglich, aber dennoch wahrscheinlich gilt: Faymann lässt den zu Jahresende auslaufenden Vertrag von Ex-FPÖ-Bundesgeschäftsführer Gilbert Trattner als ÖBB-Bau-Finanzchef um fünf Jahre verlängern - und zwar auf einem roten Ticket. Davon wiederum könnte der ÖVP-nahe ÖBB-Baumanager Georg-Michael Vavrovsky, dessen Vorstandsvertrag ebenfalls zu Jahresende ausläuft, profitieren. Denn Trattner und Vavrovsky sind seit Jahren vollumfänglich über massive Kostenüberschreitungen bei Milliardenprojekten wie dem Unterinntalbahnausbau informiert und könnten, so die hinter vorgehaltener Hand geäußerte Befürchtung, unangenehme Details durchsickern lassen.

Keine Chancen werden Post-Generalsekretärin Viktoria Kickinger als Nachfolgerin des in die ÖBB-Holding aufstrebenden Postbus-Geschäftsführers Andreas Fuchs eingeräumt. Sie habe es nicht in den Dreiervorschlag des Personalberaters für den Sessel neben Christian Eder geschafft. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.9.2008)