Joichi Ito auf der Ars Electronica

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Die derzeitigen Bestrebungen, im Namen des Urheberrechtes eine Internet-Zensur einzuführen, sind für den japanischen Internetpionier Joichi Ito zwar "beunruhigend". Er sei jedoch optimistisch, dass sich auf die Dauer der freie Fluss von Information durchsetzen werde - "das Pendel wird wieder in die andere Richtung schwingen", sagte Ito während der Ars Electronica. Beim Computerkunstfestival in Linz hat Ito das Symposium geleitet, das sich auf die Suche nach einer neuen wirtschaftlichen Basis für die Kultur im Zeitalter des Online-Kopierens macht. "Es wird einen langen Kampf zwischen der Offenheit, dem freien Fluss von Information, und der Geschlossenheit geben", prognostizierte Ito.

Unterschied zwischen Nutzungs- und Aufführungsrechten

Der Disput über illegale Kopien von Musik und Filmen im Internet, den die Ars Electronica heuer in den Mittelpunkt gestellt hat, "klingt für viele nach einem alten Hut", so Ito. "Viele reden darüber, schon seit langem. Aber die meisten Menschen haben immer noch keine Ahnung von den Details". So höre er oft die Meinung von Konsumenten, dass sie mit auf einer legalen Downloadplattform erworbenen Songs "machen können, was sie wollen - sie haben es ja gekauft". Der Unterschied zwischen Nutzungs- und Aufführungsrechten sei kaum jemand bewusst.

Gesellschaftliche Übereinkunft

"Urheberrecht hatte bis vor kurzem kaum eine Bedeutung für den einzelnen. Als ich jung war, habe ich vielleicht ein paar Platten auf Kassette gespielt oder Zeitungsartikel fotokopiert. Das war aber sehr selten", sagte Ito. Daher gebe es jetzt noch keine "gesellschaftliche Übereinkunft", wie mit dem Kopieren umgegangen werden soll. "Das Urheberrecht muss sich ändern, aber das kann noch Jahrzehnte dauern. Aber ich glaube, in fünf Jahren ist die Industrie soweit, mit uns für eine Lösung zusammenzuarbeiten", von der alle Seiten Nutzen ziehen.

Creative Commons

Der dringend notwendige Dialog über den freien Fluss von Information und einen zeitgemäßen Schutz für künstlerische Werke wird derzeit aber "von den betroffenen Unternehmen nicht einfacher gemacht. Die sprechen immer nur von extremen Positionen: Der Rechteinhaber auf der einen, der böse Musikpirat auf der anderen Seite. Es ist jedoch nicht so einfach." Man könne jedoch nur schwer eine Diskussion mit jemanden gewinnen, der "so viel zu verlieren hat". Den Dialog zu entschärfen sei auch Aufgabe der Konsumenten: "Rechte zu brechen sorgt für Polarisierung", so Ito, der mit dem alternativen Urheberrecht "Creative Commons" einen Weg anbieten will, "innerhalb des Rechtes frei mit Content umgehen zu können".

Nötig dafür sei jedoch kein rechtsfreier Raum, sondern ein neuer rechtlicher Rahmen, in dem dieser Austausch legal sein kann. Mit den "Creative Commons" können Urheberrechte flexibel geschützt werden, also etwa das Nutzungsrecht an Musikstücken für Remixe freigegeben werden, obwohl die Aufnahme selbst weiter geschützt bleibt.

Ziviler Ungehorsam

"Manchmal ist ziviler Ungehorsam wichtig", es gebe jedoch keinen Freibrief dafür, Rechte zu brechen, so Ito in Richtung derjenigen, die sich wissentlich für den eigenen Nutzen über das Urheberrecht hinwegsetzen. Andererseits könne es im Interesse aller sein, Urheberrechte zu umgehen, so Ito. So geben etwa in Brasilien manche Musiker ihre Musik direkt an Raubkopierer weiter. Denn früher oder später landet sie ohnehin in deren Händen, aber auf diese Art sorgen die Straßenhändler illegaler Kopien für eine gute Verteilung der Musik. Die Musiker selbst können dann mit mehr Einnahmen bei Konzerten rechnen.

Content Sharing

Die Diskussion über Urheberrechtsschutz erinnert Ito an die Anfänge des Internets. "Es gab damals eine Menge Verlierer, viele Unternehmen haben Geld verloren oder sind bankrottgegangen", beispielsweise aus dem Telex-Bereich. Es wurde damals in Japan die Meinung vertreten, dass "das Internet in Japan illegal sein würde". Aber viele Unternehmen "erlebten auch einen ungeahnten Aufschwung, viele bestehende Unternehmen haben sich erfolgreich neu erfunden. Heute würden wahrscheinlich nicht viele Menschen sagen, dass das Internet schlecht für uns war." Das selbe treffe auf den Austausch von Inhalten, das sogenannte "content sharing", zu. Zwar würden heute viele Unternehmen, etwa Musik- und Filmfirmen, dagegen ankämpfen. Doch "irgendwann werden wir zurückblicken und staunen, dass nicht alle Forschungspapiere ausgetaucht wurden".

Dass sich ein Symposium, bei dem einander Experten, die von geistigem Eigentum leben, versichern, dass das geistige Eigentum an die Grenzen stößt und künftig statt den Experten die Amateure immer wichtiger sein werden, selbst widerspricht, glaubt Ito nicht. "Es ist nicht die ideale Situation. Aber wir können hier einen Rahmen abstecken, in dem man dann weiter diskutieren kann." (APA)