Kay Oberbeck ist seit 2006 Googles Unternehmenssprecher. Er betreut die DACH-Region und Skandinavien. Zuvor war er unter anderem bei Lycos tätig.

Das Herzstück Google Chromes, die JavaScript-Engine Virtual Engine V8, wurde von 15 Mitarbeitern in Dänemark entwickelt. 

Der führende Suchmaschinenbetreiber Google hat mit der Veröffentlichung des eigenen Webbrowsers "Chrome" frischen Wind in den Markt gebracht. Für Nutzer verspricht man ein rundum besseres Surf-Erlebnis, doch welche Pläne stecken dahinter? "Es gibt keinerlei Pläne oder Strategien zur Monetarisierung von Google Chrome", sagt Unternehmenssprecher Kay Oberbeck im Gespräch mit Zsolt Wilhelm.

derStandard.at: Google hat die vergangenen Jahre massiv Mozillas Webbrowser Firefox unterstützt. Für viele kam es daher überraschend, dass Google nun einen eigenes Konkurrenzprodukt auf den Markt bringt…

Kay Oberbeck: Das hat überhaupt nichts mit Konkurrenz zu tun. Wir sind nicht gegen den einen oder den anderen. Wir sind dafür die Innovationen im Web, mit dynamischen Webseiten und dergleichen, voranzutreiben. Vor zwei Jahren haben wir uns hingesetzt, um uns zu überlegen wie ein Browser gestrickt sein müsste, um diesen Innovationen Rechnung zu tragen, weil andere Browser das bislang noch nicht ausreichend getan haben.

derStandard.at: Nun, Chrome basiert auf Webkit, das auch die Grundlage für andere Browser, wie Apples Safari, bildet.

Kay Oberbeck: Den Unterschied macht unserer Ansicht nach die JavaScript-Engine, Virtual Engine V8 genannt, aus. Sie wurde in Dänemark entwickelt und ist quasi der neue Motor unter der Haube. Sie sorgt dafür, dass die Tabs parallel abgearbeitet werden können und der Browser stabiler läuft. Genau wie jeder andere Bestandteil (von Chrome) ist auch sie Open Source und kann von anderen übernommen werden.

derStandard.at: Wie sich im Test gezeigt hat, kommt es dennoch ab und an zu Abstürzen. Das liegt wohl an der noch unfertigen Beta-Version. Ist eine finale Fassung schon in Sichtweite?

Kay Oberbeck: Nein, dazu gibt es keinen festen Termin. Unsere Philosophie ist es Produkte so schnell wie möglich an die Nutzer weitergeben, weil wir ein Feedback bekommen wollen. Es gibt sehr strikte interne Auflagen bezüglich Sicherheit und Stabilität, wann ein Produkt aus dem Beta-Stadium entlassen werden darf. Das kann, wie am Beispiel Google Mail zu sehen ist, mitunter Jahre dauern.

derStandard.at: Wann werden die Versionen für Linux und Mac erscheinen?

Kay Oberbeck: Einen genauen Fahrplan gibt es nicht.

derStandard.at: In diesem Jahr noch?

Kay Oberbeck: Je, ich denke, das ist eine Frage von Monaten.

derStandard.at: Google Chrome könnte auch als direkte Kampfansage an Microsoft gewertet werden…

Kay Oberbeck: Wir sagen das nicht.

derStandard.at: Vielleicht nicht, aber mit Chrome sollen Web-Anwendungen gefördert werden, was zur Folge hat, dass das angewandte Betriebssystem immer unwichtiger wird.

Kay Oberbeck: Wie gesagt, wir wollen die Innovationen auf diesem Gebiet vorantreiben und das Surfen im Web schneller, stabiler und sicherer machen.

derStandard.at: Zielt man nicht auch darauf ab, auf lange Sicht Desktop-Anwendungen zu substituieren?

Kay Oberbeck: Das hat überhaupt nichts mit dem Desktop zu tun. Oder irgendeinem Konkurrenten. Wir konzentrieren uns aufs Web. As simple as this.

derStandard.at: Es gibt dennoch eine eindeutige Verbindung. Google stellt selbst Web-Applikationen wie Google Docs her, die Funktionen von etablierten Desktop-Programmen wie Microsoft Office zumindest teilweise ersetzen. Wenn Google jetzt einen eigenen Browser entwickelt, um genau solche Web-Anwendungen zu stärken, lässt das nicht diesen Schluss zu?

Kay Oberbeck: Das ist ihre Schlussfolgerung. Das ist definitiv nicht unser Fokus. Welche Folgen das hat, mögen andere beurteilen.

derStandard.at: Um ein bisschen beim Open Source-Gedanken zu bleiben: Der Firefox ist vor allem auch durch eine breite Entwickler-Gemeinde groß geworden, die laufend für neue Erweiterungen sorgt. Glauben Sie, wird man einige dieser Entwickler für Chrome gewinnen können?

Kay Oberbeck: Insgesamt geht es natürlich darum die Open Source-Gemeinde anzusprechen.

derStandard.at: Kommt es da nicht zur Kannibalisierung?

Kay Oberbeck: Um Gottes Willen, das ist nicht unser Ziel. Wir sind ja auch nach wie vor sehr sehr enge Partner und haben das erst jüngst bestätigt. Sie finden bereits Elemente, die im Zuge von Chrome entwickelt wurden, im Firefox wieder. Ich schließe auch nicht aus, dass später für beide Browser gleichzeitig entwickelt wird. Das ist kein "für oder gegen", sondern ein "miteinander".

derStandard.at: Der Mozilla-Chef hat sich ob der Einführung von Chrome dennoch etwas überrascht gezeigt, zumal auch etwa 85 Prozent der Einnahmen aus Googles Taschen stammen. Wird sich durch Chrome etwas daran ändern?

Kay Oberbeck: Nein. Wir haben unsere Unterstützung für Mozilla erst gerade bekräftigt.

derStandard.at: Wenn man sich die Realität vor Augen hält, gibt es dennoch einen Browser-Kampf, der zurzeit vorwiegend vom Internet Explorer und Firefox geschlagen wird. Welche Marktanteile peilt denn Google an?

Kay Oberbeck: So denken wir eigentlich nicht. Wir wollen ein Produkt anbieten, das unseren Nutzern gefällt. Der Rest folgt dann letztendlich von selbst. Das haben wir auch bei unseren anderen Produkten gesehen. Da gab es auch nie eine konkrete Zielvorgabe. Wir glauben aber, dass wir Browser-Technologien mit Chrome insgesamt vorantreiben können.

derStandard.at: Gibt es Pläne Chrome über die Software-Pakete der Komplett-PCs von Herstellern wie Dell oder HP zu verbreiten?

Kay Oberbeck: Dazu gibt es noch überhaupt keine Ideen. Zuerst wollen wir das Votum des Nutzers abwarten.

derStandard.at: Kurz nach der Veröffentlichung von Chrome wurde bereits die erste kritische Sicherheitslücke entdeckt… Welche Maßnahmen werden ergriffen, um solchen Gefahren vorzubeugen?

Kay Oberbeck: Es gibt beispielsweise die Identifikationsnummer für jeden heruntergeladenen (Chrome)-Browser. Die ist unter anderem dafür da, dass Verbesserungen automatisch dorthin geliefert werden können, wo sie benötigt werden.

derStandard.at: Genau diese Browser-ID sorgte erst kürzlich beim Datenschutzverein ARGE Daten für Aufruhr, wonach die Identifikationsnummer ein „tiefer, massiver und unverschämter“ Eingriff in die Privatsphäre darstelle, da sie nicht deaktiviert werden könne.

Kay Oberbeck: Die Identifikationsnummer ist ein Industriestandard, den nicht Google erfunden hat. Sie gibt keinerlei Hinweise auf den Nutzer. Das ist eine Identifikationsnummer für den Computer von dem der Browser aus heruntergeladen wurde.

derStandard.at: Gleichzeitig bindet Google die Funktionen der Suchmaschine in Chromes Adressleiste ein, um automatisch Such- oder Adressvorschläge zu liefern, sobald der Nutzer Schlagwörter in die Zeile eintippt. Die Bedenken laufen nun dahingehend, dass Google die gesammelten Informationen plus die Browser-ID nutzen könnte, um Nutzerprofile zu erstellen…

Kay Oberbeck: Nein, die Daten werden ja nicht bei Google gespeichert. Sie haben auch die Möglichkeit mit dem Inkognito-Modus komplett anonym zu surfen, bzw. auch die genannte Auto-Suggest-Funktion zu deaktivieren.

derStandard.at: Die Browser-Kennung lässt sich aber nicht deaktivieren. Weshalb muss ich sie als Nutzer zulassen?

Kay Oberbeck: Weil es speziell bei der Beta-Version unser Anliegen ist, gezielt Lücken schließen und Verbesserungen verbreiten zu können. Auch im Kampf gegen Phishing und Malware kommt uns die Identifikationsnummer zunutze.

derStandard.at: Google ist führender Anbieter von Suchmaschinenmarketing. Ist es da nicht naheliegend, dass die eigegebenen Informationen in Chrome künftig genutzt werden, um für Nutzer gezielt Werbung im Browser zu schalten?

Kay Oberbeck: Es gibt keinerlei Pläne oder Strategien zur Monetarisierung von Google Chrome. Wenn das Produkt erfolgreich wird, machen wir uns über die Weiterentwicklung Gedanken.

derStandard.at: Sie garantieren auch, dass sämtliche Benutzerdaten, die Google sammelt, nicht an Dritte weitergegeben werden. Wie sieht es mit eigenen Tochterfirmen und Diensten wie Double-Click aus?

Kay Oberbeck: Eine Datenschutzbehörde in Deutschland hat uns schon einmal zuvor bezichtigt, wir würden Nutzerdaten von unterschiedlichen Diensten mischen. Das ist falsch. Das machen wir nicht. Dazu gibt es Verträge, die das klar ausschließen. Wir wären verrückt, würden wir das machen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at vom 8. September 2008)