Harald Spirig (55) feiert in der nächsten Woche zehn Jahre Schweizer Haus - und sucht Firmensponsoren.

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Harald Spirig wollte aus dem Gefängnis heraus: "Alle gehen, ich bleibe sitzen", witzelt der Vorarlberger Psychologe über seinen Veränderungswunsch nach 13 Jahren im Strafvollzug. Nicht weil er es sich "leichter" machen wollte. Die permanente Arbeit am Konflikt ist ihm geblieben - seit sieben Jahren als Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Schweizer Haus in Wien-Penzing.

Therapie statt Strafe

Das Konzept basiert auf der Möglichkeit von Therapie statt Strafe mit dem innovativen Ansatz dichter Behandlung inklusive Substituten auch für bereits außerhalb des Schweizer Hauses wohnende Drogenkranke. Die klassische Therapiekette mit ihrem Abstinenzparadigma bricht das Schweizer Haus auf. Folglich hat er auch "schwierige" Leute, die in anderen Einrichtungen schon "gescheitert" sind: 35 derzeit in stationärer Betreuung, 30 im dezentralen Bereich, überwiegend zwischen 25 und 30 Jahren, ein Viertel davon Frauen.

Die meisten hängen multipel an Drogen, hauptsächlich an Opiaten und Kokain. Spirig: "Es gibt sonst nichts, was alle verbindet, außer dass es sehr einsame Menschen sind." Und die allermeisten sind laut Suchtgiftgesetz straffällig geworden, haben Hafterfahrung.

Aufenthalt als Wendepunkt

Wie definiert er in diesem Arbeitsumfeld Erfolg? Zur Heilung beizutragen, sagt Spirig, und die Zeit, die jemand in Abhängigkeit verbringt, bei möglichst geringem Schaden für die Süchtigen und die Umwelt zu verkürzen. Das sind seine echten Erfolge. "Ein Highlight ist, wenn wir sehen, dass der Aufenthalt hier der Wendepunkt ist." Biografien verfolgt er nicht systematisch, aber: 2007 wurde aus dem Schweizer Haus ein Drittel der dezentral betreuten Patienten in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.

Apropos Erfolg: Stolz ist Spirig auf sein Gehaltsschema (85 Mitarbeiter, 33 Angestellte): Das Grundgehalt ist moderat, bei starker Auslastung wird das Mehr an alle verteilt. "So kann ich Kündigungen vermeiden." Als "Kompliment" nimmt er die geringe Fluktuation seiner Belegschaft. Er jongliert die starken Schwankungen der Patienten mit einem Budget von knapp über zwei Millionen Euro, das gesamte Team packt auch an allen Ecken und Enden bei der permanenten Renovierung der ehemaligen Gerngross-Villa an. Firmensponsoren sucht er allerdings noch. Das Thema "Giftler" scheint bei Unternehmen und ihren Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten nicht gewünscht zu sein.

Ob er Arbeitszeiten kenne? Er bemühe sich darum, lacht er. Aber er fühle sich ja "privilegiert - meine Tätigkeit ist eine sinnvolle". Gut vorstellbar, dass er mit dieser Ruhe eine Äquidistanz zu Ministerien und Behörden nachhaltig managt. Dass er Kontakte hegt, pflegt und schützt, ist über ihn bekannt. Ebenso wie seine internationale wissenschaftliche Verankerung, weil man ja "die Nase aus der eigenen Suppe lüpfen muss". (Karin Bauer/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.9.2008)