Avignon - Ursprünglich hätte die Diskussion, wie es nach dem Nein der Iren zum Reformvertrag in der EU weitergeht, breiten Raum beim Treffen der Außenminister in Avignon einnehmen sollen. Doch das Thema wurde vor allem auf Wunsch der Iren von der Tagesordnung genommen.

Jegliche Diskussion darüber sei zu früh und kontraproduktiv, hieß es in irischen Diplomatenkreisen. Die Stimmung im Lande sei derzeit ziemlich kritisch, die Chancen auf ein Ja seien relativ gering. Man wolle außerdem eine ausführliche Umfrage über die Motive derjenigen abwarten, die mit Nein stimmten. Damit wird es aber immer unwahrscheinlicher, dass es in Irland noch vor den EU-Parlamentswahlen im Frühsommer 2009 ein neues Votum gibt und der Vertrag in Kraft treten könnte. Das aber hätte weitreichende Auswirkungen auf die EU-Institutionen. Denn das Parlament sollte von 785 auf 751 Abgeordnete verkleinert werden, und ohne Reformvertrag muss die EU-Kommission nach dem geltenden Vertrag von Nizza ab 2009 weniger Kommissare haben als die EU Mitgliedstaaten.

Damit würde spätestens im Sommer 2009 die Entscheidung anstehen, welche Länder in der neuen Legislaturperiode auf ihren Kommissar verzichten müssten. Ein Ausweg wäre hier ein Beschluss der Staats- und Regierungschefs, auf die Verkleinerung der Kommission zu verzichten - im Vertrag von Nizza wie auch im Reformvertrag. Mit diesem neuen "Angebot" könnte der Vertrag dann den Iren erneut vorgelegt werden. (mimo/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7. 9. 2008)