Grafik: STANDARD/Collage: Silvia Druml

Faksimile: Konzept von Walter Meischbergers Agentur für eine Mischkulanz aus Second Life, Ebay, StudiVZ und Partnerbörse.

Die Internetadresse hat Onlinedirektor Thomas Prantner schon gesichert - mit seinem Namen.

Das Kanzleramt muss seine erste Stellungnahme an die Brüsseler Wettbewerbsbehörden wohl noch einmal überdenken. Viele jener Onlineangebote, die die EU-Behörde am ORF kritisiert hatte, seien "bereits eingestellt oder überhaupt nie angeboten worden", steht in dem Schreiben vom 25. April 2008. Partnervermittlung etwa, Suchdienste oder E-Cards.

Geht es nach dem Konzept für die Onlinedirektion des ORF, das dem STANDARD vorliegt, hat die Anstalt all das vor und noch viel mehr, das ihr in Brüssel Ärger bereitete.

DORF nennt sich das "Web 2.0 Projekt für den ORF", das die Wiener Agentur Zehnvierzig für die Anstalt verfasst hat. Zehnvierzig gehört Walter Meischberger, der für das BZÖ im Stiftungsrat des ORF saß und der auch mit Karl Heinz Grasser eine Firma hat. 2006 half Meischberger entscheidend bei der Wahl von Alexander Wrabetz zum ORF-Chef.

Verhinderter Direktor

Meischberger galt 2006 als oranger Fixstarterfür die Onlinedirektion. Direkt aus dem Stiftungsrat ins ORF-Management ging sich nicht aus. Zum Zug kam Thomas Prantner, davor Marketingleiter des ORF mit gutem Draht zu Peter Westenthaler. Meischberger darf dem ORF gewaltige Onlinepläne erstellen.

Womöglich eine unverlangte Fleißaufgabe eines verhinderten Onlinedirektors? Dagegen spricht, wer sich die Internetadresse unter www.nic.at gesichert hat: Nicht ORF oder Onlinedirektion scheinen auf, fragt man www.d-orf.at ab, sondern "Online Direktion - Thomas Prantner". Der sagt auf Anfrage: "Das ist ein Projektvorschlag für Web 2.0, den wir prüfen." ORF-Sprecher Pius Strobl meldet sich bald danach und verspricht: "Wir werden keine Projekte realisieren, die auch nur im Ansatz nicht der Rechtslage entsprechen."

Was plant Meischberger da für Prantner? DORF soll Onlineerfolge von MySpace bis Facebook, von YouTube bis Xing, von StudiVZ über Ebay bis Second Life vereinen. "Auf einer einzigen Profilseite wird es möglich, Interessengemeinschaften, Freundschaften, sogar Liebesbeziehungen mit Menschen überall in Österreich zu bilden, zu führen und aufrecht zu erhalten", heißt es in dem Konzept. Eine Dorfgemeinschaft als Generalmotto der Plattform.
Details zum Dorf dürften EU-Wettbewerbshüter interessieren:

  • "Einkaufsstraße" Eine Einkaufsstraße mit "Online-Billa", Tabaktrafiken und Mobilfunkshops ist geplant. Ein Versandhaus soll als "Dorfladen" integriert werden - mit "günstigen Konditionen von der Baumwollsocke bis zum Bausparvertrag". Eine "Dorfmesse" als Oberfläche für Werbeflächen, Gewinnspiele, Aktionen, Produkttests.
  • Auktion Eine Ebay-ähnliche Anwendung ist ebenfalls vorgesehen, sie soll laut Konzept OneTwoSold übernehmen, an dem auch die "Krone"-Familie Dichand Anteile hält.
  • Network mit Werbeeffekt Daten der User sollen dazu benutzt werden, ihnen "entsprechende" Infos über "Profile, Veranstaltungen und Produkte" zu schicken. Fans können Austrostars als "Freunde" definieren, die wiederum die "Pinnwände" ihrer jungen "Freunde" für Werbung nutzen.
  • Download Ö3 soll aktuelle Hits als Hintergrundmusik für Userprofile zum Download anbieten. Die Fläche soll auch für Ö3 werben.
  • Kontaktbörse User werden Usern vorgestellt mit Konsequenz bis zum "fensterln". "Herzilein" ist "eine Art Singlebörse".
  • Misswahlen mit Events und Kalenderproduktion "in Zusammenarbeit mit Bipa".

Ebenfalls pikant ist die multimediale Bewerbung des Portals in Radio und Fernsehen. Für eine Anstalt, die ihr gesamtes Programm gegenüber der EU als öffentlich-rechtlich definiert:

  • Cross Promotion Laut Konzept sollen Ö3 "in den relevanten Radiosendungen" DORF bewerben, etwa mit "täglichen Meldungen" über die "große Zahl von Neuanmeldungen" im Dorf. Eine "passende TV-Sendung", zumindest wöchentlich, steht in dem Papier.

Die EU fordert vor jedem neuen Angebot eines Gebührensenders "marktrelevante Auswirkungen des geplanten Angebots" zu prüfen. Deutschland untersagt gerade nach seiner EU-Prüfung ARD und ZDF Partner-, Kontakt-, Stellen- und Tauschbörsen, Business-Networks, Musikdownload, Chats und Foren ohne Sendungsbezug.

Auch vor diesem Hintergrund tobt Horst Pirker vom österreichischen Zeitungsverband über das Dorf. Mehr dazu hier. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2008)