Wien - 45 Exportländer von Nukleartechnologie (Nuclear Suppliers Group/NSG) haben am Freitag in Wien ihre Beratungen über die Aufhebung des Embargos gegen die Atommacht Indien, die mit den USA ein umstrittenes Atomabkommen geschlossen hat, fortgesetzt. Der von den USA als bevorstehend angekündigte Durchbruch ließ jedoch weiter auf sich warten.

Die NSG hatte am Donnerstag ihre im August vertagten Verhandlungen in Wien wieder aufgenommen. Mehrere Länder, darunter Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Neuseeland und Norwegen, sind gegen eine Aufhebung des Verbots ohne strenge Auflagen an Neu-Delhi. Indien hat den Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty, NPT) nicht unterzeichnet und besitzt Atombomben - das ist nach NSG-Regeln ein Ausschließungsgrund für die Weitergabe von Atomtechnologie.

Die USA fordern die Aufhebung des Lieferstopps, den die Lieferländer nach dem ersten indischen Atombombentest über Neu-Delhi verhängt hatten. Dies ist notwendig, damit ein zwischen beiden Ländern 2006 geschlossenes Atom-Abkommen in Kraft treten kann. Dass die USA mit einem Land, das außerhalb des Atomwaffensperrvertrags steht, im atomaren Bereich zusammenarbeiten will, betrachten Kritiker als eine weitere Schwächung des NPT.

Ohne eine Zustimmung der NSG - die einstimmig erfolgen muss - bleibt dem US-Kongress kaum Zeit, das Abkommen mit Indien zu ratifizieren. Ende September vertagt sich der Kongress wegen der Präsidentenwahl. Weil sie mit dem Fortschritt unzufrieden sind, haben die USA Vize-Außenminister William Burns nach Wien entsandt. Er gab sich vor Journalisten zuversichtlich, was eine Einigung betrifft.

Neuer Politstreit in Neu-Delhi

Die US-Regierung hat inzwischen deutlich gemacht, dass die USA keine "sensible Nukleartechnik" an Indien verkaufen würden. Washington werde das Abkommen außerdem kündigen, falls Indien erneut Atomwaffentests vornehmen sollte. Dies steht in einem bisher geheimen Brief des State Department an den US-Kongress und hat in Indien eine neuerliche politische Debatte über den Wert des Abkommens ausgelöst. Am Freitag gab das indische Außenministerium jedoch eine Erklärung ab, in der Indien sein Bekenntnis zur Nichtverbreitung von Atomtechnologie wiederholte.

Die Gespräche in Wien wurden von Demonstrationen der österreichischen Grünen begleitet. Ulrike Lunacek, Außenpolitiksprecherin der Grünen, rief Außenministerin Ursula Plassnik sowie die anderen kritischen Länder auf, dem Druck der Atom-Lobby standzuhalten. (Reuters, guha/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7. 9. 2008)