Wien - Wer sich für die Umwelt engagiert, stumpft ab. Und tut er es nicht, dann wird nachgeholfen: "Es gibt bei den Behörden und in der Industrie ein Kalkül, dass die, die ehrenamtlich arbeiten, irgendwann aufgeben," sagt Marlies Meyer, Umweltjuristin im Grünen Klub und Vorstandsmitglied des "BIV". Dieser Verein kämpft gegen die Abstumpfung an, er schärft die Waffen der Umweltschützer, die im weitesten Sinn der grünen Basis angehören, ohne mit der Partei in Verbindung zu stehen. Finanziert wird das durch eine Selbstbesteuerung der Grün-Mandatare, 50.188 Euro sind da im vorigen Jahr zusammengekommen.

Gehör verschaffen wird immer schwerer

Meyer analysiert im Standard-Gespräch die Entwicklung der vergangenen Jahre: "Für Bürgerinitiativen wird es zunehmend schwierig, sich Gehör zu verschaffen - speziell: sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Und wenn sie alles richtig gemacht haben, dann kann es passieren, dass sie genau dann auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn gerade keiner Einspruch erheben kann."


So sei es fast Routine, dass wichtige Behördenschriftstücke rund um Feiertage oder in der Urlaubszeit zugestellt werden, klagt Meyer: "Da sind die Anwälte auf Urlaub und die Zivilgerichte zu - und ein Zustellungsbevollmächtigter einer Bürgerinitiative kann oft nicht einmal seine Mitstreiter erreichen, weil die ja auch etwas anderes im Kopf haben."

Abfallverbrennung in Niederösterreich

Als Beispiel nennt Meyer die Frist, die die Niederösterreichische Landesregierung für die Auflage der Projektunterlagen für die Abfallverbrennung der Hamburger Gesellschaft (ein Teil des Firmenimperiums von Thomas Prinzhorn) in Pitten festgelegt hat: Wer sich da informieren will, ist auf die Zeit zwischen 18. Juli und 12. September angewiesen - "viel Ferialarbeit für die Bürgerinitiative", sagt Staatsanwalt Walter Geyer, ehemaliger Grünen-Abgeordneter und Vorstandskollege von Meyer im BIV.

Hohe Hürden um gehört zu werden

Was viele Bürgerinitiativen bremse, sei die hohe Hürde, um überhaupt in den Verfahren gehört zu werden. Selbst wenn die Beamten des Wirtschaftsministeriums einer Bürgerinitiative Parteistellung zuerkennen, komme es vor, dass der Verfassungsgerichtshof diese Parteistellung wieder aberkennt, weil nicht schon beim ersten Einspruch der Bürgerinitiative gegen ein Projekt eine materielle Begründung des Einspruchs formuliert worden ist. So geschehen bei Bürgerinitiativen gegen die S33 (Kremser Schnellstraße und Donaubrücke Traismauer), gegen die 380-kV-Leitung in Krumegg und die A5 Nord.


Daher rät Meyer: "Wer heute gegen ein Projekt auftritt, braucht von Anfang an einen Anwalt" - das aber kann teuer werden. Und vom BIV gibt es zwar Zuschüsse zu den Rechtskosten, den Großteil müssen die engagierten Bürger aber selbst aufbringen. Eine Initiative gegen Handymasten in Müllendorf bekam 15.000 von 70.000 Euro Anwaltskosten zugeschossen. (Conrad Seidl/ DER STANDARD Printausgabe 4.9.2008