Cartoon: Oliver Schopf

An sich ist es Aufgabe eines Jobbewerbers,Dienstzeugnisse für eine bessere Gehaltseinstufung vorzulegen. Doch der OGH nimmt den Arbeitgeber in die Pflicht: Er muss den Bewerber deutlich darauf hinweisen.

Die richtige Einstufung in das Gehaltsschema des Kollektivvertrags stellt Arbeitgeber oft vor Herausforderungen: Welche Berufsjahre sind als Vordienstzeiten anzurechnen? Was tun, wenn der Arbeitnehmer sie nicht mit Zeugnissen belegt? Die Verantwortung liegt – wie eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zeigt – ganz auf Seiten des Arbeitgebers.

Nachdem der Kläger jahrelang in einer Werbeagentur beschäftigt war, bewarb er sich bei einem Unternehmen der IT- und Consultingbranche für eine Vertriebsstelle. In seinem Lebenslauf und in den Vorstellungsgesprächen wies er auf seine Berufserfahrung hin. Ein Dienstzeugnis der Werbeagentur legte er aber zunächst nicht vor. Sein zukünftiger Arbeitgeber forderte ihn wohl auf, "alle Unterlagen abzugeben" . Dabei stellte er aber nicht klar, dass davon die Einstufung und somit die Höhe des Gehalts abhängt.

Zur Anstellung kam es – zur Anrechnung der Vordienstzeiten aber nicht. Nach zwei Jahren forderte der Mitarbeiter dann eine Nachzahlung von über 20.000 Euro brutto: Um diesen Betrag hätte er bei höherwertiger Einstufung ab Dienstbeginn mehr verdient.

Dem steht auf den ersten Blick der Wortlaut des IT-Kollektivvertrags entgegen: Er setzt für die Anrechnung von Vordienstzeiten die Vorlage von Zeugnissen oder sonstigen Arbeitspapieren voraus – und zwar spätestens zwei Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Dennoch sollte es dem Kläger nicht schaden, dass er das Dienstzeugnis der Werbeagentur erst in der Gerichtsverhandlung vorlegte: Erwähnt ein Bewerber seine Berufserfahrung, muss der Arbeitgeber ihn – im Rahmen der Fürsorgepflicht – darauf hinweisen, dass für die Anrechnung der Vordienstzeiten schriftliche Nachweise notwendig sind. Andernfalls, so der OGH, darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ihm die Berufsjahre auch ohne Nachweise angerechnet werden, und er im Gehaltsschema richtig eingestuft wird (8 ObA 19/08i vom 16. 06. 2008). Darauf darf er selbst dann vertrauen, wenn ihm laut Dienstvertrag ausdrücklich keine Vordienstzeiten angerechnet werden. Obwohl der Kläger das Dienstzeugnis zwei Jahre verspätet vorlegte, war sein Anspruch auf Gehaltsnachzahlung gemäß KV nicht verfallen.

Allerdings enthielt sein Dienstvertrag eine weitere Verfallsklausel: Demnach verfallen Entgeltansprüche, wenn sie "nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden". Wann werden Entgeltdifferenzen aber fällig? Dazu vertrat das Berufungsgericht die erstaunliche Auffassung, dies sei erst der Fall, wenn der Arbeitnehmer die unrichtige Einstufung geltend macht, indem er das Zeugnis nachreicht. Das korrigierte der OGH: Einstufungskriterien im KV sind verbindlich. Aus einer unrichtigen Einstufung resultierende Entgeltdifferenzen sind jeweils zum Monatsende fällig. Der Dienstnehmer kann die Fälligkeit nicht mit Vorlage der Arbeitspapiere beeinflussen.

Drei Monate Verfallsfrist

Da laut OGH die einzelvertragliche Verfallsfrist von drei Monaten wirksam ist, kann der Arbeitnehmer die Gehaltsdifferenz nur für jene Monate erhalten, die seiner ersten Zahlungsaufforderung folgten, und für die drei Monate davor. Offen blieb, ob die Tätigkeit in der Werbeagentur für die neue Arbeit einschlägig und die Berufsjahre dort überhaupt anrechenbar sind.

ch wenn der KV für die Anrechnung von Vordienstzeiten noch so deutlich Zeugnisse verlangt, ist in Wahrheit der Arbeitgeber in der Pflicht: Sobald der Bewerber Berufserfahrung angibt, muss der Arbeitgeber zur Vorlage von Arbeitspapieren auffordern und ihn darauf hinweisen, dass diese für die Anrechnung von Vordienstzeiten notwendig sind. Andernfalls drohen noch Jahre später Gehaltsforderungen – wenn sie nicht durch eine Verfallsklausel im Dienstvertrag eingeschränkt werden. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2008)