Die Geschichte vom Wundermittel gegen Falten begann unschön: Und zwar mit dem qualvollen Tod eines württembergischen Bauern im Jahre 1817. Er hatte eine verdorbene Blutwurst gegessen: Nach sechs Tagen Übelkeit, Kopfschmerzen und Nackensteife starb er am sechsten Tag an Atemlähmung, beschrieb der Arzt Justinus Kerner.

Außer Gefecht gesetzt


Von "Botulus", der Wurst, stammt der Name des bis dahin unbekannten Bakteriums Clostridium botulinum, dessen Gift in sauerstoffarmem Milieu entsteht - etwa in Wurst-, Fisch- oder Gemüsekonserven. Seine Sporen legen - wenn sie im menschlichen Darm landen - die Signalübertragung vom Gehirn zu den Muskeln lahm. "Konkret ist es der Acetylcholintransmitter, den Botulinumtoxin außer Gefecht setzt", erklärt Markus Dawid, Vorstand der Dermatologie im SMZ Süd in Wien, und betont, dass das, was heute als Medikament eingesetzt wird, nur den Namen mit dem Gift gemein habe.

Reine Form im Labor


Denn 1946 entdeckte man eine ganz andere Seite der Substanz. Als es gelang, Botulinumtoxin in reiner Form im Labor herzustellen, begannen die Wissenschafter in Tierversuchen, die Substanz auszutesten, und beobachteten an Mäusen, das sich damit gezielt Muskelfasern blockieren lassen.


Erst Maus, dann Mensch


Für den US-Arzt Alan B. Scott eröffnete das neue Wege in der Behandlung von Schielen, da Schielen auf eine unkoordinierte Bewegung des Augenmuskels zurückgeführt werden kann. Schielenden Affen half Botox. 20 Jahre später gab es das Medikament dann am Markt. In Scotts Praxis beobachtete seine Assistentin Jean Carruthers, dass bei Botox-Patienten auch die Stirnfalten verschwanden. Ihr Mann Alastair Carruthers, ein Hautarzt, war der Erste, der Botox 1986 zu kosmetischen Zwecken einsetzte.

Entspannte Mimik, Schwitzen und Spannungskopfschmerz

"Es ist längst nicht mehr so, dass Botox Gesichtsteile lähmen muss, Patientinnen in Europa wollen gar kein ‚frozen face‘ à la Nicole Kidman", berichtet Markus Dawid, vielmehr ginge es darum, die Mimik als ein Spiel von Spannen und Entspannen aller Gesichtsmuskeln zu begreifen und entsprechend zu manipulieren. Botox wird aber auch gegen Spannungskopfschmerzen und Schwitzen angewendet. "Neben Patienten, die an krankhaftem Schwitzen leiden, gibt es viele, die ihre Kaschmirpullover ohne Schweißringe unter den Achseln tragen wollen", so Dawid.

Verdacht von Nebenwirkungen und Todesfällen


Das deutsche Magazin Focus berichtete jüngst aber, der europäischen Arzneimittelbehörde Emea lägen angeblich bis August 2007 mehr als 600 Verdachtsberichte zu Nebenwirkungen von Botox-Injektionen vor. In 28 Fällen habe es  Todesfälle gegeben. In Deutschland habe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seit 1994 insgesamt 210 Zwischenfälle gezählt, darunter fünf tödliche. (pok)