Foto: Begsteiger KEG

Wien - SPÖ-Chef Werner Faymann zeigte sich sofort gesprächsbereit, seine Bundesgeschäftsführerin Doris Bures erfreut über die Neupositionierung der ÖVP. "Das ist eine der bekanntesten Forderungen der SPÖ", reklamierte Faymann die Urheberschaft für den von der ÖVP vorgebrachten Vorschlag eines einkommensabhängigen Kindergeldes auch gleich für seine eigene Partei.

"Die ÖVP bewegt sich." Man habe erkannt, dass es Probleme bei berufstätigen Frauen gebe, erklärte ÖVP-Chef Wilhelm Molterer am Montag bei der Präsentation des Wahlprogramms zum Schwenk seiner Partei. Vor der letzten Reform des Kindergeldes, die erst mit Jahresanfang in Kraft getreten ist, hatte die ÖVP ein einkommensabhängiges Modell noch abgelehnt.

Neustart-Programm

Neben der Einführung einer 13. Familienbeihilfe und der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten ist das neue Kindergeld-Modell nun zentraler Punkt im ÖVP-Programm. Die Forderung im Detail: Wer nur ein Jahr in Karenz geht, bekommt 80 Prozent seines Letztbezuges - mindestens 1000 Euro, maximal 2000. Gehen beide Partner in Karenz, kann man es 14 Monate lang beziehen. Die Kosten bezifferte Molterer mit 15 bis 30 Millionen Euro.

Angedacht ist auch eine Reform der Zuverdienstgrenze (derzeit 16.200 Euro). Künftig soll die Grenze auch vom Letzteinkommen abhängig sein, sagte VP-Staatssekretärin Christine Marek. Die beiden längeren Kindergeld-Varianten (siehe Grafik) will die ÖVP wie bisher belassen. Das schwarze Wahlprogramm bezeichnete Molterer als "Programm des Neustarts".

Die SPÖ sah sich am Montag in ihrer bisherigen Politik bestätigt: "Langsam finde ich großen Gefallen am Wahlkampf", sagte Bundesgeschäftsführerin Bures, weil mit der ÖVP "plötzlich alles geht", was vorher über Monate von ihr blockiert worden sei.

Wie die Volkspartei ist auch Bures dafür, die Leistung mit mindestens 1000 Euro und maximal 2000 Euro für ein Jahr festzuschreiben. Eines unterscheidet beide Parteien aber: Bures kann sich eine generelle Flexibilisierung des Kindergeldes vorstellen. Neben der einjährigen Kurzform könnten demnach auch andere Konstellationen als die beiden anderen vorhandenen Modelle gewählt werden, denn: "Die Familien sollen nach ihrer Lebenssituation entscheiden." Die Höhe der Leistung würde sich nach SPÖ-Vorstellungen an der jeweiligen Dauer der Karenz orientieren.

Offen bleibt auch die Finanzierung. Doris Bures spielte den Ball weiter an die ÖVP. Finanzminister Molterer habe den Vorschlag auf den Tisch gelegt, daher solle er auch die finanzielle Frage klären. Im Bures-Büro geht man daher auch nicht von einer Beschlussfassung vor der Wahl aus.

Nagelprobe im Nationalrat

Zustimmung kommt auch von den Liberalen und den Grünen. Letztere wollen aber bei der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl die Koalitionspartner in die Plicht nehmen. Grünen-Vizechefin Eva Glawischnig kündigte einen Initiativantrag zur Umsetzung des einkommensabhängigen Kindergelds an. Vergangenes Jahr hatten die Grünen ihr eigenes Modell bereits auf die Tagesordnung des Parlaments gebracht - ihr Antrag wurde damals mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP niedergestimmt.

Glawischnig hofft, dass man diesmal eine Mehrheit bekommen werde. Das grüne Modell sieht für beide Elternteile einen achtmonatigen Karenzanspruch bei 80 Prozent Einkommensersatz vor. Eltern ohne vorherige Erwerbstätigkeit oder mit geringem Einkommen sollen ein Mindestkarenzgeld von 730 Euro erhalten. Als Maximalhöhe des Karenzgeldes schlagen die Grünen 2200 Euro vor.

Ganz anders fielen die Reaktionen von FPÖ und BZÖ aus. Die Freiheitlichen bezeichneten den Vorschlag der ÖVP als "nicht durchdacht". BZÖ-Generalsekretär Martin Strutz meinte, man sei zwar bereit, über ein Kindergeld-Paket zu verhandeln, jedes Kind müsse aber "gleich viel wert sein". Kommentar Seite 32
Mit seinem Team präsentierte ÖVP-Chef Wilhelm Molterer das schwarze Wahlprogramm - samt einkommensabhängigem Kindergeld. (Günther Oswald Peter Mayr, DER STANDARD, Print, 2.9.2008)