Beirut - In der seit Juli amtierenden libanesischen Allparteienregierung hat ein Tauziehen um das Ausmaß des Rechts auf bewaffneten "Widerstand" gegen Israel begonnen, das der schiitischen Hisbollah zugestanden worden ist. Nach dem irrtümlichen Abschuss eines Armeehubschraubers durch Hisbollah-Kämpfer im Süden des Landes haben die politischen Gegner der Schiitenorganisation wie Drusenführer Walid Joumblatt Staatspräsident General Michel Sleimane aufgefordert, unverzüglich einen "Dialog über die nationale Verteidigungsstrategie" einzuberufen.

Berri für "Verbindungskomitee" zwischen Armee und Hisbollah

Parlamentspräsident Nabih Berri, Chef der schiitischen Amal-Bewegung und Verbündeter der Hisbollah, schlug die Bildung eines "Verbindungskomitees" zwischen der Armee und der Hisbollah vor. Berri sprach am Sonntag in Beirut auf einer Großkundgebung zum 30. Jahrestag des rätselhaften Verschwindens des Amal-Gründers Imam Mussa Sadr während eines Libyen-Besuches. Im Libanon ist deswegen Haftbefehl gegen den libyschen Revolutionsführer Muammar Gaddafi erlassen worden, gegen den die Justiz Anklage wegen Entführung und Freiheitsberaubung erhoben hat.

Die Hisbollah ist durch Parlamentsbeschluss als "nationaler Widerstand" anerkannt. In der "Regierung der nationalen Einheit" unter Premierminister Fouad Siniora verfügt sie zusammen mit ihren Verbündeten über eine Sperrminorität. Aus Sicherheitskreisen war verlautet, Hisbollah-Kämpfer hätten den Hubschrauber vermutlich beschossen, weil sie ihn für einen Helikopter der israelischen Armee hielten. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte in seinem jüngsten Lagebericht ungewöhnlich viele Verletzungen des libanesischen Luftraums durch israelische Militärmaschinen festgehalten.

Neuer Armeechef

Der 55-jährige christliche Brigadegeneral Jean Kahwaji ist nach schwierigen Verhandlungen zum neuen libanesischen Armeechef ernannt worden. Er ist auf diesem Posten der Nachfolger des im Mai vom Parlament zum Staatspräsidenten gewählten Generals Sleimane. Dessen designierter Nachfolger General Francois al-Hajj war bei einem Sprengstoffanschlag ums Leben gekommen. Die heute 60.000 Mann starke Armee, in der die Schiiten wie in der Gesamtbevölkerung die mitgliederstärkste Gruppe stellen, war im Bürgerkrieg 1975-90 auseinandergefallen und danach insbesondere mit US-Hilfe wieder aufgebaut worden. Aus den innerlibanesischen bewaffneten Konflikten Anfang Mai hatte sich die Armee strikt herausgehalten. Der Beschluss der damaligen pro-westlichen Rumpfregierung, das Telefonnetzwerk der Hisbollah zu kappen und Hisbollah-nahe Funktionäre abzuberufen, hatte schwere Kämpfe ausgelöst. Die Schiitenmiliz eroberte im Handstreich sunnitische und drusische Gebiete, dabei waren 82 Menschen getötet worden.

Die regulären Streitkräfte schritten nicht ein. Nach Verhandlungen unter Schirmherrschaft der Arabischen Liga in Doha in Katar wurde schließlich ein Abkommen geschlossen, das die Wahl Sleimanes zum Staatsoberhaupt ermöglichte und der Hisbollah mit ihren Verbündeten faktisch ein Vetorecht in einer "Regierung der nationalen Einheit" sicherte.

In der Akkar-Region im Norden des Libanon ist es in der Nacht auf Montag nach Angaben von Sicherheitskreisen wieder zu sunnitisch-alawitischen Feindseligkeiten mit einem Toten und fünf Verletzten gekommen. (APA)