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Silvio Berlusconi, Muammar Gaddafi und die Venus von Kyrene bei der Unterzeichnung des Vertrags.

Foto: APA/EPA/LIVIO ANTICOLI

Was in fünf Begegnungen bisher misslungen war, schafften Silvio Berlusconi und Muammar Gaddafi nun am Samstag in einem Zelt in der Wüste bei Bengasi: die dunklen Schatten der kolonialen Vergangenheit zwischen Italien und Libyen zu beseitigen. Zur Versöhnung mit seinem unberechenbaren Gastgeber hatte Italiens Premierminister ein unhandliches Geschenk im Gepäck: die von italienischen Archäologen 1913 verschleppte antike Marmorskulptur der Venus von Kyrene.

Der von beiden Seiten als "historisch" gewürdigte Freundschafts- und Kooperationsvertrag sieht in in zwei Jahrzehnten italienische Investitionen von fünf Milliarden Dollar vor. Als Wiedergutmachung für die Massaker der Kolonialzeit wird Italien den von Gaddafi seit Jahren geforderten Bau einer 1800Kilometer langen Autobahn von der ägyptischen bis zur tunesischen Grenze realisieren. Der Vertrag sieht auch die Errichtung neuer Wohnungen, die Entminung ehemaliger Kriegsgebiete und Stipendien für libysche Studenten in Italien vor.

Berlusconi entschuldigte sich in Bengasi "im Namen des italienischen Volkes" für die Übergriffe während der Kolonialzeit. Rom hatte die Kyrenaika 1911 erobert und sie 1934 mit Tripolitanien zur faschistischen Kolonie Libyen vereint. Zehntausende wurden damals nach Italien deportiert. 40.000 Menschen starben in den Konzentrationslagern. Die Gesamtzahl der Opfer wird auf fast 300.000 geschätzt.

Nach seiner Machtergreifung hatte Gaddafi 1970 die Ausweisung von 20.000 Italienern verfügt. "Das Abkommen zieht einen Schlussstrich unter die Missverständnisse von vier Jahrzehnten, öffnet Libyen wieder für italienische Unternehmen und gibt uns die Möglichkeit, den Immigrantenstrom nach Sizilien zu drosseln" , erklärte Berlusconi im Zelt seines Gastgebers. Alle bisherigen Vereinbarungen zur Kontrolle der Migration und gemeinsamen Küstenpatrouillen waren von Tripolis nie umgesetzt worden.

Allein im vergangenen Jahr hatten 20.000 meist afrikanische Flüchtlinge aus Libyen die Südküsten Siziliens erreicht. Nach der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags erwartet sich Rom nun "mehr Kooperation bei der Kontrolle des Menschenhandels" . Dazu soll der italienische Konzern Finmeccanica ein Satellitensystem zur Überwachung des afrikanischen Migrantenstroms in den Wüstenstaat entwickeln.

Italien erhalte auch Zugriff auf die libyschen Öl- und Gasvorräte, freute sich Berlusconi und unterstrich die Vorteile des Vertrags. Italienische Unternehmen könnten nun in Libyen "wichtige Großprojekte" realisieren. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 1.9.2008)