Lars Ulrich, Kirk Hammett, James Hatfield und Robert Trujillo (von links) sind Metallica. Ihr neues Album "Death Magnetic" wird sie zu altem Ruhm führen.

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Wien - In einschlägigen Online- Foren wird bereits überschäumend frohlockt. Der Grund: Drei Songs von Death Magnetic, dem neuen Album der US-Metal-Band Metallica, kursieren legal und rühren manche Fans wie sonst nur einen Vater die Heimkehr eines verloren geglaubten Kindes. Dabei gründet die Freude nicht nur auf der Qualität des neuen Songmaterials, sondern vor allem auch auf der Enttäuschung, die der Vorgänger im grundsätzlich konservativen Metal-Genre unter den Metallica-Fans ausgelöst hatte.

St. Anger, der Grund für diese Verstimmung, war ein grässlicher Brocken schweren Metalls und für viele an oder jenseits der Grenze zur Unhörbarkeit angesiedelt. Dieses 2003 erschienene Werk zeigte eine Band in der musikalischen und persönlichen Sackgasse, in die sie sich mit dem selbst auferlegten Diktat zur Veränderung manövriert hatte. Als müsste Metal plötzlich innovativ sein!

Nicht einmal zwei Millionen Alben soll St. Anger in den USA verkauft haben. Ein grandioser Flop nach den Maßstäben von Metallica, deren 1991 erschienenes, titelloses Meisterwerk Metallica - aufgrund der Covergestaltung als Black Album bekannt geworden - weltweit über 20 Millionen Mal über die Ladentische ging.

Die Gründe für die Bauchlandung wurden dem Produzenten Bob Rock ebenso angerechnet wie den Alkoholproblemen des Gitarristen und Sängers James Hetfield. Es folgte ein Läuterungsprozess, der in der Dokumentation Some Kind Of Monster der Filmemacher Joe Berlinger und Bruce Sinofsky festgehalten wurde und der die Band in erschütternder Offenheit als - sagen wir - wenig gefestigte Charaktere einfängt, die blöderweise als Superstars in der Öffentlichkeit stehen.

Schon damals wurde kolportiert, dass Metallica ihr nächstes Album von Rick Rubin produzieren lassen würden. So kam es auch, und nach den ersten Hörproben von Death Magnetic kann man sagen: eine gute Wahl.

Inspirierende Vergangenheit

Dem Star-Produzenten, auf dessen Konto Meilensteine der Beastie Boys, Public Enemy oder das Spätwerk von Johnny Cash gehen, ist es gelungen, der Band einen neuen Zugang zu sich selbst zu eröffnen. Metallica sollten sich ruhig von der eigenen Vergangenheit inspirieren lassen. Daran sei nichts Verwerfliches, solange man sich nicht einfach selbst kopiere, soll Rubin die Band ermutigt haben.

Dieser Mut zur Rückbesinnung trägt Früchte: Von einer neuen Lockerheit zu sprechen wäre dennoch verwegen. Dazu ist das Genre zu halsstarrig. Härte wird darin immer noch über die Verbissenheit in die Glaubwürdigkeit überführt - zumindest bei Metallica. Zum anderen bedürfen die zehn neuen Songs - in der Mehrzahl sieben bis acht Minuten lang - schon aufgrund ihrer Dimensionierung besonderer Konzentration.

Dennoch gibt es Eilande der Entspannung, etwa in The End Of The Line, in der es mitten im Song eine geradezu zärtliche Gesangseinlage gibt. Derlei Momente bedingen eine stärkere Variation der Tempi, was dem Album gut ansteht. In Broken, Beat & Scared wird etwa ein Gitarrensolo von Kirk Hammett so abgebremst, als würde man den Stecker eines laufenden, gerade ein Kirk-Hammett-Solo abspielenden Plattenspielers ziehen. Ein alter Hut im HipHop, im Metal ein Aha-Erlebnis.

Eröffnet wird mit That Was Just Your Life, das mit einem pumpenden Herzrhythmus beginnt, bevor es mit dichtem, harten Sound in ein knackiges Gebolze übergeht, bei dem die Herzfrequenz der Fangemeinde ungleich höher sein dürfte als hier zu hören.

The Day That Never Comes entpuppt sich als Ballade. Nachdem es sich hier aber um Metal handelt, kann das natürlich nicht beschaulich bleiben. Die Gitarren drehen auf, irgendwann beginnt das Schlagzeug zu marschieren, und angesichts der Spiellänge ist natürlich locker Platz für ein Solo. Oder zwei.

All Nightmare Long, noch ein knapper Achtminüter, überrascht mit melodieseligen Soli, die immer wieder in die Höhe, also am Gitarrenbund ganz nach unten klet- tern. Dazu besorgt Lars Ulrich ein Double-Bass-Drum-Gewitter, während Hetfields Gesang so klingt, als wüsste er, wovon in diesem Song die Rede ist. Mächtig.

Alte Klasse

Für immerhin 70 Minuten Laufzeit bleibt Death Magnetic erstaunlich kurzweilig und abwechslungsreich. Rubins Rezept ist aufgegangen. Metallica wirken freigespielt, bewerkstelligen den Spagat aus alter Klasse und neuem Mut - und belohnen sich und ihr Publikum mit dem besten Album seit weit über einem Jahrzehnt. (Karl Fluch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 9. 2008)