Medzilaborce ist weit weg. Nicht nur von Wien: 13 Stunden dauert die Anreise in die kleine ostslowakische Stadt mit der Bahn. Nahezu ebenso lange von Prag und nicht kürzer fällt die Fahrt von Warschau aus. Die Autoreise nimmt zehn Stunden in Anspruch.

Foto: Bruckner

Schlichte Bauerndörfer, Storchennester, Gänseherden, weidende Ziegen im Hausgärtchen, Pferdefuhrwerke auf der Straße, unregulierte Flüsse, weite Wälder - der Tourist weiß solches als Urtümlichkeit zu schätzen, oder sieht sich in eine vergangene Zeit zurückversetzt.

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Eine Hauptstraße, ein Bahnhof, ein paar Wirtshäuser, ein Einkaufszentrum in dessen Nachbarschaft Händler ihre Waren feilbieten, ein Hotel und ein Museumsdorf in Miniaturausgabe: Rund zehn Kilometer südlich der Grenze zu Polen (Grenzübergang Radoszyce–Palota) liegt die Stadt Medzilaborce im Gebiet der Niederen Beskiden.

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An der Andy Warhol-Straße liegt heute das "Andy Warhol Museum moderner Kunst". Ursprünglich sollte das Gebäude als Kulturhaus für die einheimische Bevölkerung dienen. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als statt dessen 1991 komische Bilder und Devotionalien eines "Amerikaners" hier Einzug hielten.

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Die Anfänge seiner Biografie behielt Warhol zeitlebens für sich. Die Angaben über sein Geburtsdatum reichen vom 6. August 1928 bis zum 8. August 1931. Geburtsort ist US-Medien zufolge mal die Bergarbeiterstadt Pittsburgh, mal das vornehmere Philadelphia. "Ich komme von Nirgendwo" pflegte er zu sagen - und so unrecht hatte er damit wohl nicht.

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Gleich gegenüber dem Museum: Die Pension Andy. Hier, hinter den Bergen im Osten, weit weg von der Hauptstadt hat man immer recht frei gelebt. Als Warhol kam, war es mit der Ruhe vorbei. Nicht, weil plötzlich die Touristen das beschaulich bescheidene Städtchen überrollten, sondern weil die Behörden mit dem "Kapitalisten" nicht so recht eine Freude hatten.

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Auf einer slowakischen Reiseseite fällt die Bronzeskulptur vor dem Museumsplatz - der Künstler höchstselbst - unter "Kulturmerkwürdigkeiten".  Im Hintergrund die orthodoxe Kirche. Im Museum selbst legt man das Augenmerk weniger auf Warhols Kunst, denn auf die Familienbeziehungen.

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Während in der slowakischen Hauptstadt Bratislava de facto Vollbeschäftigung herrscht, sind im Osten der Slowakei bis zu 30 Prozent ohne Job. Hier, wo viele Roma in Slum-ähnlichen Siedlungen leben, fehlt es an vielem, zum Beispiel an einer Autobahn, die die strukturschwache Region an den Westen des Landes anbinden könnte. Wer kann, pendelt für einen Job in die Hauptstadt. Die Damen können es kaum glauben, dass ausgerechnet sie vor die Kamera gebeten werden - lassen sich aber gerne ablichten.

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Geboren wurden Warhols Eltern in Mikova, sieben Kilometer nordwestlich von Medzilabore. Hier leistet man sich übrigens zweisprachige Ortsschilder für die ruthenische Minderheit.

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Mikova ist Heimat von 158 Bewohnern. Warhols Eltern waren in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts aus der bitter armen Region in die USA ausgewandert.  Die Übersiedlung ist ein bewegendes Stück Auswanderergeschichte: Obwohl seit 1909 verheiratet, lebten Julia Zavacka und Andrej Warhola jahrelang getrennt, sie in Europa, ihr Mann in Pennsylvania, wo er in den Kohlebergwerken Arbeit fand. 1912 emigrierte Andrej, während Julia zurückblieb. Erst fehlte das Geld für die Überfahrt, dann verzögerte der erste Weltkrieg die Ausreise. Erst 1921 konnte schließlich auch sie auswandern.

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Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte die hügelige Karpatenlandschaft zur Donaumonarchie, danach zur Tschechoslowakei. Heute liegt der Geburtsort im slowakischen Teil des Dreiländerecks Slowakei, Polen, Ukraine. Letztere waren es auch, die zuerst des Künstlers Herkunft für sich in Anspruch nahmen.

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In Mikova selbst gibt es außer dem Schild am Ortseingang keine weiteren Spuren - keine Suppendosen, keine Schilder an Häusern, nicht einmal einen Souvenirshop.

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Wer sich so weit in den Osten wagt, sollte auf der E 371 Richtung Dukla-Pass folgen. Schon bald bekommt man den Grund für den schaurigen Beinamen der Strecke - "Tal des Todes" (Dolina smrti) in Erinnerung gerufen.  Die Schlachten am Dukla-Pass gehören zu den größten des zweiten Weltkriegs. Ein Denkmal erinnert heute an die Gefallenen. Insgesamt dürften es um die 150.000 gewesen sein.

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Die polnische Grenze ist hier nur wenige Minuten Autofahrt entfernt. In der Gegend gibt es beiderseits der polnisch-slowakischen Grenze zahlreiche Soldatenfriedhöfe, teilweise monumentale Denkmäler, oder etwa die rekonstruierte Stellung einer Panzerkompanie im Angriff.

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Wer eine Reise in diesen Zipfel des Landes antritt, könnte ein Intermezzo im gesunden Quell in Erwägung ziehen. In einem malerischen Tal des Gebirges Nizke Beskydy (Niedere Beskyden), liegt der Kurort Bardejovske Kupele mitten im satten Grün.

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Schenkt man diversen (zeitgenössischen) Quellen Glauben, war schon Kaiserin "Sisi" anno dazumals begeistert. Beim Hotel Astoria haben leider auch zahlreiche kommunistische (und vermutlich auch spätere) Innenausstatter ganze Arbeit geleistet: Innen sieht das Hotel demzufolge leider etwas weniger romantisch aus, als das Äußere suggeriert.

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Sehenswert sind auch die zahlreichen Holzkirchen in der Regin. Diese hier ist eine Miniaturausgabe im Freiluftmuseum in Medzilaborce. Das Original hatte man dereinst aus Geldmangel verkauft.

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Selbstverständlich hat auch hier im Osten schon lange die moderne Zeit Einzug gehalten - auch wenn man zuweilen einen anderen Eindruck haben könnte. (rb)

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