Im Wohnen gehen die Meinungen von Mann und Frau weit auseinander. Er will eine Wohnung in günstiger Verkehrslage, sie will eine Wohnung im Grünen und mit der nötigen Infrastruktur rundherum. Er interessiert sich für die Finanzierung der Immobilie, sie entscheidet über Kriterien wie Größe und Anordnung der Zimmer.

Das belegt eine Studie von Andrea Baidinger in Zusammenarbeit mit dem Gallup-Institut Wien. Schließlich kommen die Autorinnen zu dem Schluss: "Die Erfüllung der weiblichen Kriterien wird immer wichtiger und bestimmt den Wert des Objekts und die Chance, Nachmieter zu finden."

"Mehr Durchblick in der Männerdomäne"

Umso erstaunlicher ist das Verhältnis von Mann und Frau in der gesamten Baubranche. Im deutschsprachigen Raum sind die Chefetagen der Wohnbauträger fast ausschließlich von Männern besetzt. Anne Wulf, Geschäftsführerin der finanzkontor GmbH & Co KG, hat sich aus diesem Grund hauptsächlich den Frauen verschrieben. Ihr Berliner Unternehmen berät Frauen in Belangen von Objektfindung, Wohnungsfinanzierung und Wertanlage.

"Wir bemühen uns um etwas mehr Durchblick in der Männerdomäne", erklärt Wulf, "im Immobilien- und Vermögensbereich sind es immer noch die Männer, die das Sagen haben." Nicht nur auf der Seite der Baufirmen und Bauträger äußere sich dieser Umstand, sondern auch bei den Konsumenten. "Die Verteilung der Vermögenswerte ist ungleich. Den Frauen gehört gerade einmal ein Promille des Weltvermögens. Hier herrscht erheblicher Nachholbedarf."

Wulf stellt ihren Kundinnen einen Pool an Architektinnen, Fachplanerinnen und Notarinnen zur Verfügung. Nicht zuletzt initiiert und betreut das finanzkontor Frauenwohnprojekte in ganz Deutschland. Zumindest in diesem Punkt kann auch Österreich mithalten: In Wien entstehen derzeit zwei Bauvorhaben, die auf die Wohn- und Lebenswünsche der weiblichen Klientel zugeschnitten sind.

Im September findet in Wien Donaustadt der Spatenstich für das Frauenwohnhaus [ro*sa] statt. Das Besondere daran: Alle 38 Wohnungen sind flexibel gestaltet und jederzeit zusammenleg- und auch wieder trennbar. Dafür sorgen etwa Sollbruchstellen in der Wohnungstrennwand. "Das Wichtigste ist, neutrale Räume zu planen und eine größtmögliche Flexibilität zu bieten", sagt die Initiatorin und Projektleiterin Sabine Pollak, "bei Frauen ändern sich die Lebensumstände häufiger als bei Männern. Die Architektur muss darauf reagieren können."

Mehr Gemeinschaftsflächen

In Zusammenarbeit mit der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (GPA) ist es gelungen, mehr Gemeinschaftsflächen vorzusehen, als im Wohnbau sonst üblich ist. Bereits im Vorfeld treffen sich die Frauen des Vereins [ro*sa] und bauen auf, was im herkömmlichen Wohnbau bestenfalls erst Jahre nach dem Einzug stattfindet: Zusammenarbeit und Nachbarschaftsgefühl. Die Fertigstellung ist für Frühjahr 2010 vorgesehen. Rund zehn Wohnungen sind noch zu vergeben.

Bereits in Bau befindet sich das [ro*sa]-Projekt Kalypso auf dem Areal des ehemaligen Kabelwerks in Wien-Meidling. Auch hier haben Frauen für Frauen geplant. "Wir wünschen uns dezidiert, dass ausschließlich Frauen die Mietverträge unterzeichnen", erklärt Vereinsobfrau Ingrid Farag, "mit wem die Frauen dann hier einziehen, geht uns nichts mehr an."

Probleme in Bezug auf Männer-Diskriminierung sehe sie nicht. "Das ist ein kleines Projekt. Wenn von insgesamt 900 Wohnungen im Kabelwerk gerade einmal 43 für Frauen bestimmt sind, erkenne ich keinen Grund zur Klage", erklärt Farag und zitiert aus einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2004: Das Ausgleichen bisheriger Benachteiligungen im Bereich Wohnen sei ausdrücklich gestattet. Die Fertigstellung von [ro*sa] Kalypso ist für August 2009 vorgesehen. Auch hier sind noch einige Mietwohnungen mit Kaufoption zu haben. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.8.2008)