Coverfoto: Sony

Cyndi Lauper: "Bring Ya To The Brink"
Beginnen wir mit der Enttäuschung, dann haben wir's hinter uns: Chamäleon Cyndi konnte schon in vielen Erscheinungsformen überzeugen: Als quietschige Spottdrossel, große Balladeurin, Weill-Interpretin und nicht zu vergessen als engagierte Agit-Popperin. Auf ihrem allseits hochgelobten aktuellen Album flirtet sie mit dem Dancefloor - aber eine heiße Affäre wird da irgendwie nicht draus. Trotz eines vielköpfigen Koproduzententeams (darunter auch Basement Jaxx und Dragonette) laufen alle Stücke in recht ähnlicher Weise stromlinienförmig dahin. Mal ein bisschen mehr Disco, mal eher R'n'b, Soul oder Elektropop. Alles aber stets in der Mitte der Fahrspur. "Bring Ya To The Brink" ist nicht wirklich schlecht, doch fehlt ihm ganz klar eines: Höhepunkte. (Sony)

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Cyndi Lauper

Coverfoto: Morr

Populous With Short Stories: "Drawn In Basic"
Würden Air weniger Zeit darauf verschwenden fernöstliche Saiteninstrumente authentisch spielen zu lernen und sich lieber daran erinnern, dass auch und gerade ruhige Songs innerer Spannung bedürfen ... dann könnten sie auch so etwas wie "Faithful" oder "Breathes the Best" schaffen: Kleine funkelnde Electronica-Sterne, die eine Verwandtschaft zu Populous' Labelkollegen Lali Puna erkennen lassen. Dahinter steckt der junge Süditaliener Andrea Mangia - noch immer keiner der großen Namen aus dem Hause Morr, doch ist eine Würdigung schon lange überfällig. (Morr/Hoanzl)

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Populous' MySpace-Seite

Coverfoto: Cargo Records

Eliot Lipp: "The Outside"
Kürzlich hab ich mir die alte "Buck Rogers"-Serie aus den 70ern auf DVD nachgekauft: Lässt sich in etwa als "Star Trek" auf Disco beschreiben, und man muss jederzeit darauf gefasst sein, dass mitten in einer Verfolgungsjagd plötzlich ein markerschütterndes Funk-Riff losmaunzt. Aus derselben Zeit (allerdings hochwertigeren Vorbildern) schöpft der Wahl-Kalifornier Eliot Lipp seine Einflüsse - ergänzt um den HipHop der frühen Jahre, den Electro der 80er und eine Prise Techno. Das ergibt eine funkige Midtempo-Mischung, für die der Analog-Synthesizer wirklich alles geben darf und die förmlich schreit: Verwendet mich für einen Soundtrack! (Cargo Records)

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Eliot Lipps MySpace-Seite

Coverfoto: KF Records

The Poem Is You: "The Promised South"
Sechs junge MusikerInnen begeben sich aus dem Osten Deutschlands (wo schließlich auch Berlin liegt) auf die old dusty road über Brüssel in den Westen Amerikas. Mitte November wird sie ihre Wanderung übrigens für einige Termine nach Österreich führen. In den Satteltaschen: Folkrock mit Grundlage im Country & Western. Showstealer-Momente ergeben sich - wie in den jeweils zweiteiligen Stücken "The Promised South" und "The Ballad of Old Harold" - wenn Daniel Bock das Mikro übernimmt: Hat was von einem jugendlichen Graeme Jeffries. Gänsehaut-Stimme.
(KF Records/Broken Silence)

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MySpace-Seite von The Poem Is You

Coverfoto: Tomlab

Parenthetical Girls: "Entanglements"
Das dritte Album der Band aus Oregon klingt, als wären die Tourbusse zweier Orchester zusammen gekracht und die überlebenden Mitglieder würden sich um Sänger Zac Pennington zur großen Elegie versammeln. Ein paar Lücken sind hörbar, doch ist der Sound im Vergleich zum Vorgänger "Safe As Houses" deutlich opulenter geworden. Einmal mehr versteht Pennington es mit seinen Texten - allesamt zum Thema Sex - auf subtile Weise zu verstören. Nur die einzige Coverversion bleibt vergeistigt: "Windmills of your Mind", einst durch Dusty Springfield bekannt geworden, hier zum Duett ausgebaut und wirklich, wirklich wunderschön. (Tomlab/Trost)

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Parenthetical Girls

Coverfoto: Duophonic/4AD

Stereolab: "Chemical Chords"
Mittlerweile ist es auch schon ein Jahrzehnt her, seit die Fakultät für Retrofuturismus an der franko-britischen Pop-Universität die letzte relevante Platte rausgebracht hat; nichtsdestotrotz machen die Institutsvorstände Tim Gane und Laetitia Sadier unverdrossen weiter. Stereolabs Soundbezüge und Konstruktionstechniken sind hinlänglich bekannt und gänzlich unverändert  (siehe "Three Women") - nur der mitreißende Impuls ist unterwegs verloren gegangen. Einzig das instrumentale "Pop Molecule" - bezeichnenderweise eine der kürzesten Nummern des Albums - kriegt den Arsch hoch. Hurra dafür! Ansonsten ist "Chemical Chords" ebenso brillante wie unaufregende Musik für Ziolkowskis Weltraumfahrstuhl. (4AD/Edel)

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Stereolab

Coverfoto: Karaoke Kalk

Maluco: "Right Time"
Als Gaststimme hätte sich Ms Sadier hier gar nicht schlecht gemacht - zumindest im kühlen "Dreamer", dem zweiten Stück eines Albums, das zwischen Dub und Indietronics oszilliert.  Das Trio Maluco besteht aus dem Venezolaner Argenis Brito (bekannt als Sänger bei Senor Coconut), dem Chilenen Pier Bucci und Max Loderbauer von der latinophilen Berliner Formation Chica and the Folder. Die internationale Zusammensetzung spiegelt sich im Stück "Passport" wider, das sich um die sorgenvollen Gedanken eines Reisenden aus einem "unerwünschten Land" am Flughafen-Gate dreht. Bemerkenswert auch die ausgesprochen liebliche Version von Brian Eno & John Cales "The River". (Karaoke Kalk/Hoanzl)

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MySpace-Seite von Karaoke Kalk (mit "Passport" und "Evandro" zum Anhören)

Coverfoto: Park the Van Records

Dr. Dog: "Fate"
Als musikalisches Medium channeln Dr. Dog aus Philadelphia den Geist von Lennon/McCartney ebenso wie den von The Band. Soll heißen: Die Fünf mit den Pseudonymen Taxi, Table, Text, Trouble und Thanks verstehen sich auf gutes Songwriting der alten Schule, behutsam modernisiert genug, um dennoch nicht retro rüberzukommen. Und behutsam setzen sie auch den Gerätepark ein: Vom Cello bis zu dutzendfach Blasinstrumenten kommt da einiges vor - ohne jedoch die Songs zu überladen. Umso inbrünstiger dafür die gesangliche Darbietung: da werden teilweise Gospel-Ausmaße erreicht.
(Park the Van/Lotus)

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Dr. Dog

Coverfoto: Affairs of the Heart

Unbunny: "Snow Tires"
So sehr ich aus Europa stämmige Americana auch mag (heuer gab's unter anderem hörenswerte Alben von Florian Horwath und Björn Kleinhenz) - irgendwie ist's doch ähnlich paradox wie entkoffeinierter Kaffee oder alkoholfreies Bier. Jarid del Deo aus New Hampshire hingegen, Sänger und trauriges Mastermind von Unbunny, kann genauso ungekünstelt über barbecues, powerlines und industrial parks ("Nightwalking") singen wie über Jets, die in den Ozean stürzen. Und je mehr Reduktion er sich beim Sound auferlegt, desto besser wird er: Speziell im Titelsong erreicht er atemberaubende Intimität. (Affairs of the Heart/Hoanzl)

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Unbunnys MySpace-Seite

Quelle: YouTube

Grace Jones: "Corporate Cannibal"
Seit zwei Monaten laufen die Marketing-Vorbereitungen, den 27. Oktober, wenn Grace Jones' Comeback-Album "Hurricane" erscheint, zum Tag, an dem die Erde still stand, zu machen. Der Vorbote "Corporate Cannibal", dessen Video bereits im Juli auf YouTube gestellt wurde, ist seit Ende August nun auch als Download-Single bei "Wall of Sound" erhältlich. Und es ist herrlich! Ein düster dahingrummelndes Stück, zu dem die Jones ihren Gesang einmal mehr als Lesung anlegt und - pleased to meet you - die satanische Personifizierung des globalen Kapitalismus gibt. I'll consume my consumers with no sense of humour - es wird uns ein Vergnügen sein! (Wall of Sound)

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Wall of Sound