Wien - "Wie viel Gift wird in Zukunft in unserem Essen sein?", fragt sich Helmut Burtscher, Biochemiker der Umweltorganisation Global 2000. Laut neuer EU-Richtlinie nicht weniger als bisher, eher mehr, zeigt eine Studie von Global 2000 und Greenpeace. Die neue Verordnung, die ab 1. September gilt, identifiziert zu den bereits bekannten 350 "potenziell gesundheitsgefährlichen" Pestiziden noch 350 dazu. Viele der ab September zulässigen Höchstmengen seien zudem massiv angehoben worden, sodass "akute und chronische Gesundheitsschäden drohen". Die EU habe für die neue Verordnung Werte aus allen Ländern gesammelt und dann den höchsten als Richtwert genommen, zeigt die Studie. "Wenn etwa ein zweijähriges Kind mit rund 16 Kilogramm Gewicht sieben Trauben isst, dann ist der Grenzwert erreicht, gesund ist das nicht mehr", veranschaulicht Burtscher. Die Ernährungsempfehlung "je mehr Obst und Gemüse, desto besser" gelte also wohl nicht.

Schwarze Liste

Die Festlegung von Grenzwerten und Höchstmengen von Pestiziden in Lebensmitteln sollte nach dem Vorsorgeprinzip erfolgen. Pestizidwirkstoffe, die Krebs auslösen oder das Hormonsystem stören könnten, müssten verboten oder so niedrig wie möglich gehalten werden. Burtscher: "Leider folgt die EU diesem Ansatz nicht." Stattdessen werde nach der Methode der Risikoeinschätzung ein angeblich tolerierbarer Belastungswert für Menschen ermittelt. Greenpeace habe bereits eine "Schwarze Liste der Pestizide" zusammengestellt.

Burtscher fordert einen Bericht der Agentur für Gesundheit und Ernährung und Schritte des künftigen Gesundheitsministers. Dass "schlechte" Verordnungen nicht eingehalten werden müssen, zeigt der Rewe-Konzern. Dieser setzt seit 2002 auf ein Pestizidreduktionsprogramm. "Zurück an den Start" für die neue EU-Verordnung fordert der grüne Lebensmittelsicherheitssprecher Wolfgang Pirklhuber: Die Kombinationen mehrerer Wirkstoffe müsse berücksichtigt werden. (ver, DER STANDARD - Printausgabe, 29. August 2008)