Anwar Asimow, OSZE-Botschafter

Foto: Standard/OSCE/Evstafiev

STANDARD: Welche Rolle bleibt der OSZE in Georgien, nachdem Russland die Separatistengebiete anerkannt hat?

Asimow: Es war keine leichte Entscheidung für den russischen Präsidenten, Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten anzuerkennen. Das möchte ich betonen. Aber wir glauben, das war der einzige mögliche Schritt, um Blutvergießen und eine weitere Eskalation dieses Konflikts zu verhindern.

Für uns hat die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) große Bedeutung. Sie ist ein sehr wichtiges Instrument zur Lösung von Konflikten. Sie stärkt Frieden und Vertrauen - auch in dieser Region. Deshalb schätzen wir die Bereitschaft der OSZE, eine neue Beobachtermission nach Georgien zu entsenden. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Tagen die Modalitäten dieser Mission ausarbeiten können.

STANDARD: Aber wo genau will Russland die Beobachter einsetzen? In Südossetien oder außerhalb?

Asimow: Wir haben in der OSZE vereinbart, dass die neuen Beobachter nach Georgien gehen und dort die Lage in der Sicherheitszone nahe der Grenze des nun unabhängigen Südossetiens überwachen.
Es gibt grundsätzlich immer noch jene acht OSZE-Beobachter, die das Mandat haben, innerhalb von Südossetien zu arbeiten. Sie werden nun eine Genehmigung von den Behörden des unabhängigen Südossetiens brauchen. Doch meiner Ansicht nach schätzte die südossetische Seite die Rolle der OSZE und wird das auch in Zukunft tun.

STANDARD: Das Mandat dieser acht Beobachter stützt sich auf ein Friedensabkommen von 1992, nach dem ersten Krieg in Südossetien. Russland hat damals als Vermittler die Führung der gemischten Friedenstruppen übernommen. Nun hat es aber Südossetien anerkannt. Wie würden Sie Russlands Rolle heute beschreiben?

Asimow: Unsere Friedenstruppen in Südossetien werden ihre Mission fortsetzen. Gleichzeitig ist klar, dass angesichts der neuen Lage kein Platz mehr für die georgische Seite in dieser Friedensmission ist. Russland wird die Interessen des unabhängigen Südossetiens verteidigen.

STANDARD: Was soll mit den georgischen Bewohnern in den Dörfern um Zchinwali geschehen?

Asimow: Viele von ihnen haben das Gebiet verlassen und sind nach Georgien gegangen, nachdem Dörfer in Südossetien im Zug der Kampfhandlungen zerstört worden waren. Doch nach unserem Verständnis, das wir von den südossetischen Behörden haben, sind alle Georgier, die zurückkehren wollen, willkommen. Die Behörden und die russischen Friedenstruppen garantieren natürlich die Sicherheit und das Leben dieser Bewohner. Georgier und Osseten haben vor dieser Aggression der georgischen Führung oft wie in einer Familie zusammengelebt. Wir sehen deshalb keinen Grund, warum diese Menschen nicht zurückkommen sollten.

STANDARD: Welchen Sinn machen noch internationale Gespräche über den Status von Abchasien und Südossetien, wie sie die vereinbarte Waffenruhe vorsieht, wenn Russland beide Gebiete schon anerkannt hat?

Asimow: Der einzige Mehrwert, den der Punkt sechs der Waffenruhe nun bietet ist, dem Beispiel Russlands zu folgen und Abchasien und Südossetien als Realität des internationalen Rechts anzuerkennen.
Mit der Zeit werden unsere Partner verstehen, dass dies der einzige Weg war, um ethnische Säuberungen zu verhindern. Wir glauben auch nicht, dass wir den Punkt sechs der Waffenruhe verletzt haben, denn wir waren vor der Anerkennung in engem Kontakt mit unseren internationalen Partnern. Wir haben ihnen im Voraus gesagt, dass Russland keine andere Wahl hat.

STANDARD: Der amtierende OSZE-Vorsitzende, Finnlands Außenminister Alexander Stubb, hat die Anerkennung verurteilt.

Asimow: Wir haben die sehr kritische Stellungnahme des Vorsitzenden zur Kenntnis genommen. Stellungnahmen des Vorsitzenden sollten aber mehr die Ansicht aller Mitgliedsstaaten der Organisation widerspiegeln. Was immer geschehen ist, ist geschehen. Uns geht es nicht darum, neue Konfrontationen zu suchen. Wir sind dagegen, dass neue Trennlinien zwischen Russland und westlichen Ländern geschaffen werden. Wir hoffen deshalb, dass wir das Klima des Vertrauens wiederherstellen können. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.8.2008)