"Ich bin ein Freund funktionierender Geschäftsmodelle, die langfristig Chancen haben, in positive Zahlen zu kommen": Warum RTL-Chefin Schäferkordt an österreichischem Privat-TV zweifelt.

Foto: STANDARD/Hendrich

RTL-Chefin Anke Schäferkordt fehlt der Glaube an eigenes Privatfernsehen in Österreich. Ihre TV-Rechte an der Fußball-WM für Österreich erwägt sie selbst zu verwerten, sagte Schäferkordt Harald Fidler.

STANDARD: Im Frühjahr sagten Sie dem „Spiegel", der "Mut zum Risiko" sei bei RTL „durchaus entwickelt". Wo zeigt sich das im Programm der neuen TV-Saison?

Schäferkordt: Jedes neue Format birgt natürlich das Risiko des Scheiterns. Egal, wie gut Sie es produzieren, egal, wie gut Sie es über qualitative Marktforschung im Vorfeld getestet haben. Jede Investition in fiktionale Unterhaltung birgt ein größeres Risiko als nonfiktionales Unterhaltung.

STANDARD: Weil Serien, TV-Movies tendenziell teurer sind.

Schäferkordt: Und heute mit größerem Floprisiko verbunden. Deutsche Serien wurde in den vergangenen drei Jahren nicht so stark angenommen wie früher. Wir nehmen das Risiko trotzdem weiter in Kauf. Wir glauben, dieses Genre wird wieder erstarken. Mit „Doctor's Diary" ist uns endlich wieder eine Serie mit Marktanteilen klar über 16 Prozent gelungen.

STANDARD: Sie haben auch schon Serien nach einer Folge abgesetzt.

Schäferkordt: Wir haben eine Serie, „Die Anwälte", nach einer Folge abgesetzt. Der Zuschauer hat schon im Vorspann abgeschaltet. Das RTL-Publikum hat die Serie bei uns nicht erwartet und sich bewusst dagegen entschieden.

STANDARD: Sie sagten auch: Das Publikum lässt sich höchst ungern auf Neues ein.

Schäferkordt: Das Publikum hat in der vergangenen Saison Gelerntes, Bewährtes stärker honoriert als Neues. Dass „Das Supertalent" mit 25 Prozent Marktanteil eingestiegen ist, war eine absolute Ausnahme. Aber auch Bewährtes kommt irgendwann in eine Reifephase, also brauchen Sie Frisches.

STANDARD: Einer dieser Versuche war „Einer gegen 100". Der ORF spielt das im Hauptabend, RTL probierte es mit überschaubarem Anklang im Vorabend. Hat das Format für RTL Zukunft?

Schäferkordt: Wir haben es um 17 Uhr aus dem Programm genommen, behalten uns aber vor, das auf einem anderen Sendeplatz aufzugreifen. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Im werktäglichen Vorabend ist kein Platz, im Hauptabend sind wir mit zweimal „Wer wird Millionär" im Quizbereich so gut aufgestellt, dass das keinen Sinn macht.

STANDARD: RTL hat in diesem Frühjahr wieder einmal durchgerechnet, ob der Konzern mit einem eigenen Programm in den österreichischen Markt geht. Offenbar lohnt sich das nicht.

Schäferkordt: Ich kann das nicht für die RTL Group beantworten. Ich bin ein Freund funktionierender Geschäftsmodelle, die langfristig die Chance haben, in positive Zahlen zu kommen. Wenn Sie in ein attraktives Programm investieren, müssen Sie Marktanteile jenseits der fünf Prozent erreichen, um so etwas refinanzieren zu können. Bisher hat es kein österreichischer Privatsender geschafft, einen schwarzen Euro zu verdienen. Natürlich müssen Sie bei einem Start Anlaufverluste in Kauf nehmen. Aber Sie müssen den Glauben haben, dass es eine Chance gibt.

STANDARD: Und wenn ORF 1 zum Verkauf stünde?

Schäferkordt: Würde die RTL Group das sicher prüfen.

STANDARD: Sie haben die TV-Rechte an 18 Spielen der Fußball-WM 2010 gekauft, inklusive jene für Österreich. Wissen Sie, ob und wem Sie diese Rechte weiterverkaufen?

Schäferkordt: Da lassen wir uns noch Zeit. Natürlich ist das Thema Sublizenzierung noch eine Möglichkeit. Die Gespräche haben da noch nicht begonnen. Das ist ein ganz interessantes Paket. Also werden wir auf der einen Seite Nachfrage haben, auf der anderen Seite die Möglichkeit, das selbst verwerten. Da drängt so gar nichts.

STANDARD: Welche Unterschiede sehen Sie heute zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern?

Schäferkordt: Es hilft einem Manager ungemein, wenn ein Großteil der Einnahmen zu Jahresbeginn dank Gebühren sicher sind. Ihr Programm nähert sich in Österreich wie in Deutschland immer mehr den Privaten an. Der Programmauftrag ist zu wenig klar definiert, als dass er Grenzen zu den Privaten zieht. In der Unterhaltung sehe ich gar keinen Unterschied. Es erschwert natürlich privatwirtschaftliche Engagements, wenn Sie einen Wettbewerber haben, der mit Gebührenmitteln dasselbe oder ähnliches Programm macht. Vor dem Hintergrund wird das in Österreich auch die nächste Zeit schwierig bleiben.

Riedler (RTL-Vermarkter): Die Programmvergleiche der Medienbehörde zeigen Jahr für Jahr, dass ORF 1 privater ist als alle Privatsender. Decken Sie die Senderlogos ab, und man sieht keinen Unterschied. Es läuft in die Richtung einer Trennung: ORF 1 privat, ORF 2 öffentlich-rechtlich.

STANDARD: In Deutschland wurde gerade wieder diskutiert, Gebührensendern Werbung zu verbieten.

Schäferkordt: Natürlich wäre das ein erster Schritt. Was Herr Riedler für ORF 1 gesagt hat, passt für das Programm der deutschen Öffentlich-Rechtlichen insbesondere im Vorabend, wo sie werben dürfen. Das ist privater als alle Privaten, rein auf Quote ausgerichtet. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 29.8.2008)